Von Gastautorin Michaela Zajonskowski (Koreanologie-Studentin der Universität Wien)
Die Geschichte des Schamanismus in Korea

Schamanistische Rituale unterscheiden sich von Region zu Region.
Der Schamanismus wird oft als traditionelle Religion Koreas bezeichnet und dennoch ist es schwierig seinen Ursprung festzulegen, da es sich um eine sehr komplexe Religion handelt, deren Ausführung sich von Provinz zu Provinz unterscheidet. Des Weiteren wurde der Schamanismus im Laufe der Zeit durch den Taoismus und Buddhismus beeinflusst, was sich vor allem beim modernen Schamanismus bemerkbar macht.
Der Schamanismus ist unter drei unterschiedlichen Bezeichnungen in Korea bekannt, nämlich 무교 (巫敎 mugyo) – Religion der Schamanen, 신교 (神敎 singyo) – Religion der Geister/Götter und 신도 (神道 sindo) – Weg der Geister/Götter. Schamanen werden generell 무(巫) – mu genannt, wobei es wiederum eine Unterscheidung zwischen weiblichen Schamanen, den mudang (무당, 巫堂) und den männlichen Schamanen, den baksa (Doktor), gibt.
Die zentralen Rollen im Schamanismus nehmen vornehmlich Frauen ein und der bereits erwähnte Begriff mudang geht auf die damals verwendeten chinesischen Schriftzeichen zurück. Der Begriff 무(巫) – mu war zur damaligen Zeit schon ausreichend, um den Schamanismus zu identifizieren, da er so viel wie ‚diejenige, die Wunder vollbringt‘ bedeutet und der Zusatz dang (당, 堂, Altar/Schrein) wurde erst später hinzugefügt.
Ausgrabungen haben außerdem ergeben, dass bereits in der Bronzezeit schamanistische Rituale durchgeführt worden sind und die ersten schriftlichen Aufzeichnungen bezüglich des Schamanismus finden sich im Samguk Sagi (Chronik der drei Königreiche) wieder, welches im 12 Jhdt. verfasst wurde, und die damals existierenden Traditionen Koreas interpretiert.
Legenden rund um den Schamanismus

Eine Mudang, die in Seoul ein Ritual aufführt. Quelle: WIkipedia
Die Anfänge des mudang finden sich in Mythen und Legenden, die sich mit den weiblichen Schamaninnen und deren Fähigkeiten beschäftigen. Einer dieser Mythen erzählt die Geschichte der Heiligen Mutter, die den Mann Pobu Hwasang heiratete, nachdem sie zu einem Menschen wurde, und mit ihm acht Töchter hatte. Diese Töchter erlernten unterschiedliche Techniken des Schamanismus, die diese dann im ganzen Land bekannt machten und so den Schamanismus verbreiteten.
Eine weitere Legende ist die der Prinzessin Ahwang oder Prinzessin der Yao, die von ihrem Vater zu den Menschen geschickt wurde, um diesen mit ihren intensiven Gebeten zu helfen. Dies führte dazu, dass sie von den Menschen angebetet wurde und Altare zu ihren Ehren errichtet wurden. Ihre Nachfolger wurden schließlich mudang genannt und Prinzessin Yao als Gründerin des mudang Kultes gesehen.
Auch gibt es noch den Mythos rund um König Yu, den Gründer der Xia Dynastie, der schon rund 2200 Jahre vor Christus an den Schamanismus geglaubt haben soll. Er lud daher sowohl weibliche als auch männliche SchamanInnen an seinen Hof, damit diese für ihn beten. So wurde die Geschichte zumindest von einer mudang namens Hyunsik überliefert. Eine andere Version gibt an, dass der König mehr an dem männlichen Schamanen interessiert war und diesen auch belohnte, nachdem er die Geräusche, die aus einem alten Brunnen kamen, zum Verstummen brachte.
Die mudang jedoch wurde zum Tode verurteilt und der König befahl, sämtliche mudang im Land in Gefangenschaft zu nehmen. Sofort nachdem dieses Urteil gefällt worden war, flohen sämtliche mudang und bekamen Unterstützung von einem Provinzvorsteher namens Ahwang, der ihnen die Überfahrt eines Flusses möglich machte. Eine mudang auf dem Schiff pries Ahwang und nachdem dieser später zum König wurde, ließ er die Schamaninnen zurückkehren und ihre Religion praktizieren.
Was all diese Mythen und Legenden gemein haben, ist der Fakt, dass die Nachfahren der mudang keine selbstgeweihten Priesterinnen waren, sondern Medien für höhere Geschöpfe. Auch spielen die Berge in den Mythen immer wieder eine große Rolle und in fast allen Geschichten durchleben die Schöpfer der mudang Tragödien oder andere Unglücke. Was aber in all den Geschichten auffällt ist, das es zumeist Frauen sind, die im Fokus stehen und die die Nachfahren der mudang werden. Einzig auf Jeju gibt es mehr männliche als weibliche Schamanen, wodurch auch die Nachfahren hier Männer sind.
Der Schamanismus war jedenfalls immer Bestandteil der koreanischen Kultur, jedoch wurden Schamanen vor allem in der Joseon Zeit immer mehr unterdrückt und verfolgt, was dazu führte, dass sie zunehmend aus der Hauptstadt verschwanden und der Schamanismus anderen Religionen weichen musste. Dies geschah zum einen wegen des Aufkommens des Neo-Konfuzianismus im 15. Jhdt. und verstärkte sich noch einmal durch den Einfluss des Christentums. Auch der Einfluss der Schamanen auf die Frauen des Palastes war nicht gern gesehen, obwohl es Schamanen immer wieder an den Hof schafften, um dort Rituale durchzuführen, wenn auch oft im Geheimen.
Das Ritual des Chaesu Gut
Das Chaesu Gut ist eines der repräsentativen Rituale im koreanischen Schamanismus und dient als Ritual für Reichtum und Wohl. Es ist nicht nur ein saisonaler Ritus, sondern dient auch der Ahnenverehrung und wird auch heute noch in Korea zelebriert. Früchte und Getreide werden auf dem Altar aufgebahrt, welche als Einladung für die Geister der Ahnen und anderer wichtiger Geister dienen, damit diese sich besser untereinander verstehen. Es ist eines der pursten schamanistischen Rituale und grenzt sich damit offensichtlich von den Riten ab, die der Vertreibung unreiner Geister und dem Schutz des Heimes vor Krankheiten dienen.

Altar bei einem schamanistischen Ritual (Quelle: NY Times)
Schamanistische Lieder, Gebete und Instrumente
Schamanistische Rituale setzen sich aus zwölf ritualistischen Abfolgen zusammen, wobei sich jede dieser Abfolgen oder Schritte einem bestimmten Gott oder Geist widmet. Es gibt keine einheitlichen Texte, sondern die einzelnen Schamaninnen fügen eigene Gedanken zu zentralen Passagen hinzu. Die Texte wurden deshalb nie niedergeschrieben. Stattdessen werden die Texte mündlich von mudang zu mudang weitergeben, was es schwierig macht die genaue Bedeutung und Verbindung zwischen den Gedanken zu verstehen. Die Texte der Lieder sind allerdings nicht das Wichtigste bei den Ritualen, sondern vielmehr ist es die schamanistische Trance, die eine Zeremonie effektiv macht.
Auch verschiedene Werkzeuge und Instrumente spielen eine Rolle und können in fünf Kategorien eingeteilt werden: Instrumente für den Altar, für die Gebete, für Hellseherei, für Opfergaben und Musikinstrumente.
Der Altar besteht aus Tischen, auf denen das Essen platziert wird. Bilder von Geistern und göttliche Statuen werden aufgestellt, Kiefernzweige werden um den Altar aufgestellt. An diesen wird ein Seil mit weißen Papierstreifen angebracht, um den geweihten Bereich abzugrenzen. Auch Halme und faltbare Raumteiler, verziert mit Bildnissen von Geistern, können den Altarbereich abgrenzen. Fünf heilige Flaggen werden zudem an Bambusstöcke gehängt, von denen die vier kleinen in den Nord-, Ost, Süd- und Westecken des Raumes platziert werden. Die dominierende und auch größte Flagge, wird vor dem Haus aufgestellt.
Auch für die Gebete gibt es eine Vielzahl an Instrumenten. Die meisten von ihnen, wie zum Beispiel das Kochmesser, Flaschen oder ein Hochstuhl dienen zum Austreiben, Fernhalten und Einfangen von bösen Geistern. Opfergaben erfolgen in den unterschiedlichsten Ausführungen. Die wohl bekannteste hierbei ist das Essen, welches den Geistern angeboten wird. Aber auch Stoffe, Kleidung, Papier, Geld, künstliche Blumen, Räucherstäbchen oder spezielle Opfergaben, die sich regional oft unterscheiden, werden bei den Ritualen dargeboten.
Um eine Wahrsagung durchzuführen nutzen Schamanen zum einen Münzen, die eine quadratische Öffnung in der Mitte haben und chinesische Zeichen eingraviert haben, zum anderen Papier, das verbrannt wird. Auch Kiefernnadeln, Holzstücke oder heilige Schwerter werden für die Wahrsagung genutzt.
Zu guter Letzt gibt es noch die Musikinstrumente, die von Trommeln, über Schellen, einem kleinen Gong, der Glocke der Prinzessin, der Spiegelglocke, anderen Blechinstrumenten bis hin zu Flöten reichen.
Schamanismus in Film und Fernsehen
Schamanismus ist auch ein beliebtes Thema in Film und Fernsehen, wobei man Darstellungen von schamanistischen Ritualen zumeist in sogenannten sageuk (historische Filme/Dramen) findet. In modernen Settings findet man Schamanen meist in Form von HellseherInnen, jedoch wurden vor allem in den letzten 5 Jahren auch Filme und Dramen produziert, die im Hier und Jetzt spielen und verschiedene Facetten des Schamanismus behandeln.
A Shaman’s Story
Choi Ha Wons Film A Shaman’s Story (1972) beschäftig sich mit der Geschichte der Schamanin Mo Hwa, deren Einfluss in dem Fischerdorf, in dem sie lebt, durch das Aufkommen des Christentums immer mehr schwindet. Als sie herausfindet, dass ihr eigener Sohn Theologie studiert, überkommt sie der Zorn und sie führt an ihrem eigenen Sohn einen Exorzismus durch. Durch den Konflikt zwischen Mutter und Sohn wird die Familie jedoch immer mehr auseinander getrieben und Mo Hwa versucht zunehmend zu beweisen, wer im Dorf die größere Macht besitzt.
Daughter Of Fire
Daughter of Fire (1983), von Im Kwon Taek, behandelt wie A Shaman’s Story den Konflikt von Schamanismus vs. Christentum. Hae Joons Tochter wird krank und seine Frau und deren Familie versuchen, durch Gebete und Handauflegen diese zu heilen. Auch Hae Joons Ehe steht auf dem Spiel, da seine Frau nur schwer damit umgehen kann, dass Hae Joon sich nicht an ihrer Religion beteiligt. Des Weiteren wird Hae Joon von Albträumen geplagt, die er auf seine Kindheit schiebt und darauf, dass seine Mutter sehr wahrscheinlich eine Schamanin war und so begibt sich Hae Joon auf die Suche nach seiner Mutter und deren schamanistischem Erbe.
The Piper
Auch Filme aus den letzten Jahren nutzen den Schamanismus als Motiv für ihre Handlungen. Einer davon ist der Film The Piper aus dem Jahr 2015. Der Film ist das Debütwerk von Regisseur Kim Gwang Tae, der auch das Drehbuch verfasst hat. Er kombiniert koreanische Themen mit der Sage des Rattenfängers von Hameln. The Piper spielt im Korea der 1950er Jahre, nach dem Koreakrieg. Der Rattenfänger Woo Ryong landet mit seinem Sohn in einem abgelegenen Dorf. Dort lernt er, dass das Dorf von einer Rattenplage heimgesucht wird und Woo Ryong bietet seine Hilfe an. Woo Ryong erfährt aber nicht die ganze Wahrheit bezüglich der Rattenplage, denn der Dorfvorsteher erzählt ihm, sie seien ins Dorf gekommen, als sie es kurzeitig verlassen hatten, um sich vor chinesischen Soldaten zu verstecken.
In Wahrheit war das Dorf aber eine Leprakolonie, bei der der Dorfvorsteher und seine Leute Unterschlupf gesucht hatten. Nachdem ihnen dieser gewährt wurde, wurden die Leprakranken und eine Schamanin in einer Höhle eingesperrt. Nach geraumer Zeit fanden die Dorfbewohner die Leprakranken, die von Ratten getötet und gefressen worden waren. Nur die Schamanin überlebte und verfluchte die Dorfbewohner und ihre Kinder, bevor sie am lebendigen Leib verbrannt wurde.
Die Schamanin in Ausbildung, Mi Sook, die nun im Dorf wohnt, verliebt sich in Woo Ryung und als die beiden vorhaben, das Dorf gemeinsam zu verlassen, bringt dies die Dorfbewohner in Rage und nun ist es Mi Sook, die die Dorfbewohner verflucht. Was folgt ist ein tragisches Ereignis nach dem anderen.
The Wailing
Ein weiterer aktueller Film, der den Schamanismus thematisiert, ist The Wailing von Na Hong Jin, aus dem Jahr 2016, der auch international erfolgreich war und beispielsweise bei der Viennale gezeigt wurde. Der Film spielt in einem abgelegenen Dorf, in dem sich mysteriöse Mordfälle ereignen, die angeblich von einem Mann begangen wurden, der in einer Hütte im Wald lebt. Dies wird vor allem durch die Aussage einer namenlosen, jungen Frau zur Haupttheorie der Ermittler und sie gehen diesem Verdacht auch nach.
Jedoch wird Jong Gus Tochter Hoy Jin krank und Panik macht sich breit, da dies auch die Krankheit zu sein scheint, an der auch der Mörder leiden könnte. Hyo Jins Verhalten wird mit der Zeit immer aggressiver und sie isst verhältnismäßig viel, was ihre Großmutter dazu veranlasst einen Schamanen zu engagieren, da sie glaubt, Hyo Jin sei besessen. Der Film beschäftigt sich ab dann zum einen mit den Ermittlungen in den Mordfällen und zum anderen mit den schamanistischen Ritualen, die durchgeführt werden, um Hyo Jin von dem Dämon zu befreien, der von ihr angeblich Besitz ergriffen hat.
K-Dramas
Neben Filmen findet man aber auch in Dramen oft schamanistische Themen und wie bereits erwähnt, sehr oft in sageuk. Gerade in den letzten Jahren wurden aber einige Dramen veröffentlicht, die in der heutigen Zeit spielen und sich mit dem Schamanismus und der Besessenheit von Menschen, durch Dämonen/Geister etc. beschäftigen.
The Cursed
Eines der Dramen, das in meinen Augen diese Themen sehr gut aufgreift und auf für koreanische Dramen verhältnismäßig brutale Weise darstellt, ist das Drama The Cursed aus dem Jahr 2020. Die Geschichte dreht sich um die Journalistin Jin Hee, die versucht die finsteren Machenschaften der IT-Firma Forest aufzudecken. Der Geschäftsführer der Firma ist ein Anhänger des Schamanismus und nutzt die Dienste einer Schamanin, um an seine Ziele zu gelangen.
Während ihrer Recherche lernt Jin Hee das Mädchen So Jin kennen, deren Mutter auch eine Schamanin war und von einem Geist besessen ist, was dazu führt, dass sie übernatürliche Kräfte hat. Jin Hee und So Jin versuchen gemeinsam, die Machenschaften von Forest aufzudecken und begeben sich dafür in Lebensgefahr.
The Guest
The Guest (2018) greift sowohl das Thema Schamanismus als auch Exorzismus auf und erzählt die Geschichte des Hellsehers Hwa Pyung, der aus einer Schamanen Familie stammt. Hwa Pyung, Choi Yoon, ein katholischer Priester und Polizistin Kil Young schließen sich zusammen, um gegen die dunklen Mächte zu kämpfen, die die Menschheit bedrohen. Wie bei The Cursed ist auch hier die Darstellung der Besessenheit bzw. der Dämonenaustreibung eher auf der brutalen Seite, was vor allem dadurch zu erklären ist, dass beide Dramen auf Kabelsendern laufen. The Guest wurde außerdem auf OCN ausgestrahlt, ein Sender, der für seine eher brutalen Shows bekannt ist. Beide Serien sind daher Horrorliebhabern zu empfehlen.
The Moon Embracing The Sun
Als Teil der Hallyu Welle ist The Moon Embracing The Sun auch internationalen Dramafans durchaus bekannt und wird oft als einer der Klassiker auf ‚Dramas you have to watch‘ Listen angegeben. Die Handlung spielt am Königshof eines fiktionalen Königs der Joseonzeit und erzählt die Geschichte von König Lee Hwon und seiner Liebe zu der Schamanin Wol, deren Schicksal schon in ihrer Kindheit beginnt und einen tragischen Verlauf nimmt.
Mr. Queen
Auch in dem zurzeit noch laufenden Drama Mr. Queen kommt der Schamanismus vor, jedoch nur am Rande. Hier ist es die Königinwitwe, die sich teilweise dem Schamanismus hingibt und eine Schamanin an den Hof holt, um Rituale durchführen zu lassen und Talismane zu bekommen. Hier kommt gut zum Ausdruck, dass der Schamanismus am Hof verpönt bzw. verboten war, da diese Rituale im Geheimen durchgeführt werden und die Königinwitwe reagiert immer sehr nervös, wenn sie beinahe erwischt wird.