In der Wiener Zeitung vom Dezember 1873 beschreibt der österreichischer Kulturhistoriker, Publizist und Redakteur Friedrich von Hellwald alles, was man über Korea bis zu diesem Datum wusste. Angefangen beim Land und seinen Städten über Menschen und Sprache bis hin zu Politik und Religion – die Beschreibungen des alten Koreas, noch bevor Österreich diplomatische Beziehungen mit dem Land aufnahm, sind faszinierend.
[ Wiener Zeitung – 18731212 – Seite 15 ]
Die gegenwärtige Kenntnis von Korea I
Unter allen Staaten der Gegenwart behauptet das auf der gleichnamigen Halbinsel gelegene Königreich Korea eine Abgeschlossenheit und Isolierung, die den schärfsten Contrast bildet zu dem merkwürdigen Umschwung der Ansichten, der sich seit wenigen Jahren in dem benachbarten Japan vollzogen hat. Selbst China hat vor den europäischen Bestrebungen sein Inneres größenteils erschließen müssen, nur Korea, das zum blumigen Reiche der Mitte sogar in tributarem Verhältnisse steht, hat es verstanden, sich nicht nur gegen den Einfluß europäischer Berührungen, sondern sogar gegen den seiner allernächsten Nachbarn, der Chinesen und Japaner, hermetisch abzuschließen. Zweifelsohne wird diese Isolierung Korea’s wohl kaum mehr lange Stand halten angesichts des Übergewichtes, welches die europäischen Mächte: England und Frankreich zur See, Rußland zu Lande, in Ost-Asien erlangt haben; ja Korea ist dermalen schon Grenznachbar des weit ausgedehnten russischen Reiches; immerhin ist unsere heutige Kunde dieses seltsamen Landes auf einige japanische und chinesische Berichte, auf jene der älteren Jesuiten-Missionäre, mehrerer französischen und nordamerikanischen Marineofficiers und endlich auf einige englische Blaubücher beschränkt. Auch die für die Kunde Japans so hochverdienten Forscher Kämpffer und Siebold haben uns einige Nachrichten über Korea hinterlassen. In neuester Zeit haben die kriegerischen Unternehmungen der Franzosen und Nord-Americaner einiges Licht auf die koreanischen Verhältnisse geworfen; gleichwohl darf man mit einem englischen Geographen immer noch mit Recht behaupten, daß wir von Korea kaum viel mehr wissen als von manchen Theilen Inner-Afrikas. Es verlohnt sich demnach wohl der Mühe, das vorhandene Material zu einem anschaulichen Bilde unserer heutigen Kenntniß von diesem Lande zu gruppieren. Über Korea gingen früher allerlei wunderliche Sagen im Schwange: da war eine Stadt auf einem Hügel erbaut, der fast ganz aus gediegenem Silber bestand; alle Flüsse und Bäche waren goldhaltig und das edle Metall lag in großer Menge dicht unter der Oberfläche. Natürlich sind diese Truggebilde durch die Wissenschaft längst verscheucht worden. Die erste dunkle, man möchte sagen unbewußte Kunde von Korea hat der verdienstvolle Franziskanermönch Willem Ruysbrveck nach Europa gebracht. Die frühesten Erkundigungen über Korea stammen von den Engländern aus der Zeit, als sie noch mit Japan verkehrten. Sie ließen solche sozusagen systematisch einholen.
Erst in dem chinesischen Atlas des Jesuiten Martini erscheint aber das Bild dieser Halbinsel, zwar zu schwächlich und zu schlank gegliedert, doch aber deutlich erkennbar. Für das Innere des Landes blieb lange Zeit hindurch der Holländer Heinrich Hamel die einzige Quelle der Geographen. Dieser Seemann scheiterte 1653 an der Quelpaert-Insel und lebte dreizehn Jahre als Gefangener in Korea; endlich gelang es ihm, zu entkommen und nach Europa zurückzukehren, wo er einen Bericht seiner Erlebnisse und eine Beschreibung Koreas veröffentlichte). Obwohl seitdem besonders die Küsten genauer bekannt geworden sind, ist es doch keinem Fremden gelungen, einen gleich langen Aufenthalt in der Halbinsel zu nehmen und wissenschaftlich auszubeuten. Am ehesten hätte man sich dessen seitens der Chinesen versehen dürfen, die eine Art Oberhoheit über das Land beanspruchen und auch in der Tat einen jährlichen Tribut davon empfangen. Allein auch die chinesischen Quellen gewähren nur eine kärgliche Ausbeute und zeugen von maßloser Gleichgültigkeit für dieses Nachbargebiet. Die chinesischen Jahrbücher behaupten, dass die Halbinsel schon 2357 Jahre vor unserer Zeitrechnung von China unterworfen worden sei, wobei es indes gut ist, sich zu erinnern, dass die beglaubigte Geschichtschreibung der Chinesen höchstens bis ins neunte Jahrhundert vor Christus hinausreicht. Mehr als tausend Jahre, erzählen die Annalen weiter, blieb Korea, nicht ohne dann und wann sich aufzulehnen, in diesem Verhältnisse der Untertänigkeit. Im zweiten Jahrhundert v. Chr. gab Tschao-Sien, so hieß Korea, den Kaisern der Han-Dynastie viel zu schaffen; zur Zeit der Tang scheint die Halbinsel unter mehreren unabhängigen Gewalthabern geteilt gewesen zu sein, deren einige chinesischen Ursprungs waren; auch der Bevölkerung mochte chinesische Beimischung nicht gefehlt haben.
Die mongolischen Eroberer Chinas im dreizehnten Jahrhundert bemächtigten sich natürlich auch Koreas, doch erkannte der Gründer der Ming-Dynastie die Ansprüche des damaligen koreanischen Prätendenten an und investiere ihn mit dem Titel Kao-li-Wang, König von Kao-li, aus welchem Namen im Munde der Japaner Ku-rai, bei den Europäern Korea geworden ist. Der neue Herrscher zahlte regelmäßigen Tribut und teilte nach chinesischem Muster sein Gebiet in acht Taos (Provinzen oder Districte), die sich eines tiefen Friedens erfreuten, bis 1592 der eroberungslustige Japanenkaiser Taicosama Korea mit Krieg überzog. Das Volk unterwarf sich zwar widerstandslos, rief aber nachher die Hilfe der Chinesen an; 1598 zogen die Japaner wieder ab und Korea erkennt seitdem die Oberherrschaft Chinas an; es schickt alljährlich eine Gesandtschaft nach China und der Kaiser läßt den König bei seinem Regierungsantritte durch zwei hohe chinesische Beamte installieren. Diese Oberherrschaft ist aber tatsächlich nur nominell und der König von Korea ein in allem Wesentlichen unabhängiger Herrscher.
Seltsamerweise ist auf die japanische Eroberung Taicosamas das erste Eindringen des Christentums in Korea zurückzuführen, welches bekanntlich damals in Japan erstaunliche Fortschritte gemacht hatte. So kam es, daß die japanische Eroberungsarmee fast völlig aus Christen bestand, welche nach sechsjährigem Aufenthalte im Lande so starke Propaganda machten, daß, als 1644 der regierende König von Korea mit dem in Peking lebenden berühmten Jesuiten P. Schall bekannt wurde, er ihn aufforderte, christliche Missionäre in sein Land zu senden, um dort die Kenntniß der astronomischen und mathematischen Wissenschaften zu verbreiten, in welchen die Jesuiten so Hervorragendes leisteten. Durch unaufgeklärte Umstände blieb jedoch Korea über ein Jahrhundert lang vollkommen verschlossen; erst 1784 gelang es dem Christentum, dort wieder
neuen Fuß zu fassen. Der Sohn eines der den alljährlichen Tribut überbringenden Gesandten nahm in Peking den christlichen Glauben an und wirkte nach seiner Rückkehr mit solchem Eifer für diese Sache, daß fünf Jahre später Korea schon 4000 Bekehrte beiderlei Geschlechts zählte. Die christliche Religion ward allenthalben, bei Hofe und im Volke, frei gepredigt; im Jahre 1788 begann allerdings eine Verfolgung der Christen, die in den nächsten Jahren immer strenger ward, nichtsdestoweniger aber nahm die Zahl der koreanischen Christen beständig zu. Peter Li — dirs war der Name des erwähnten koreanischen Proselyten nach der Taufe — unterhielt regelmäßige Verbindung mit dem Bischof von Peking, der nebst den für den Ritus erforderlichen Gerätschaften auch umständliche Belehrung über die Weinbereitung sandte. Ein zweiter Koreaner, Jakob Velloz, erhielt 1795 nicht nur die Taufe, sondern selbst die Priesterweihe und ward bei seiner Rückkehr von seinen Landsleuten enthusiastisch empfangen. Im Jahre 1800 gab es 10.000 „fest bekehrte“ Christen in Korea. Leider starb um jene Zeit der regierende milde König und die darauffolgende Regentschaft ergriff die Gelegenheit zu einer neuen Christenverfolgung. Am 21. Mai 1801 ward Jakob Belloz öffentlich hingerichtet. Erst in der neueren Zeit ist Korea wieder ein Feld für die keineswegs glückliche Tätigkeit christlicher Glaubensboten geworden, die bekanntlich zu verschiedenen Expeditionen Veranlassung und dadurch mittelbar zu näherer Erkundung des Landes und der koreanischen Verhältnisse geführt hat.
Die Halbinsel Korea hat die Richtung von Nordwest nach Südost und reicht von 34° 40′ bis 42° 30′ n. Br. und 125° bis 129° ö.’L. v. Gr. Die Ostseite wird vom Japanischen, die Westseite vom Gelben Meere und dem Golfe von Petscheli bespült. Im Norden bilden die Ströme Jalu und Tumen die Grenze gegen die chinesische und russische Mandschurei. Der Flächenraum, abgesehen von den vielen kleinen Inseln an den Süd- und Westküsten, wird auf 79.414 englische Geviertmiles geschätzt, ist also etwa drei Mal so groß wie Schottland. Das Land ist gebirgig und selbst in der Küstenregion erheben sich, nach den Messungen europäischer Seeoffiziere, Gipfel bis zu 8000′ Meereshöhe. Die Täler sollen fruchtbar und die Berge stellenweise bis hinauf mit dichten Waldungen bedeckt sein. So berichtet der Reisende Reverend Alexander Williamson. Wie schon erwähnt, ist das Land in acht Taos oder Provinzen geteilt, deren Grenzen auf der uns vorliegenden Karte Petermanns verzeichnet sind. In der Gebirgseinöde des Nordens erhebt sich der Bergriese Peh-tau Schen, der „Berg mit dem weißem Haupt“, als Landmarke auf der Grenze gegen die Mandschurei, seine Höhe schätzen die chinesischen Geographen auf 20 Li oder etwa 12.000 Meter! Aus den westlichen und östlichen Abhängen entspringen die obgenannten Ströme Jalu und Tumen; der nach Osten abfließende Tumen bildet heute die Grenze gegen den gefürchteten russischen Nachbar, während der Mln durch eine weite, öde, nur von Tigern und Pelztieren bewohnte Waldregion nach Westen zieht und sich nach einem angeblich 2115 Li langen Laufes in die Korea-Bai des Gelben Meeres ergießt.
Im Inneren des Landes liegen, so sagt man, 33 Städte ersten, 28 zweiten und 70 Städte dritten Ranges. Die zwei nördlichsten Provinzen, im Süden der beiden Ströme gelegen, sind Hien-king an der Ostküste und Ping-an an der Westküste. Daran schließen sich, Japan gegenüber, die Provinzen Kiang-yüan, King-schen und Tfüan-lo, welches die Südspitze der Halbinsel einnimmt. China gegenüber liegen die Provinzen Tschung-tsin, King-ki und Huang-Hai, welche letztere im Norden von dem sehr ansehnlichen, sich ins Gelbe Meer ergießenden Flusse Ping-jang begrenzt und dadurch von Ping-an getrennt wird. Im Inneren des Landes ist der Han-kang der wichtigste Strom; er fließt durch die Provinz King-ki von Osten nach Westen und bildet ein ausgedehntes Delta, in welchem sehr viele felsige und bewaldete Inseln zerstreut liegen; es ist dies der Archipel des kaiserlichen Prinzen. Diese ganze Küsten-gegend ist übrigens noch keineswegs vollkommen aufgenommen und deren kartographische Darstellung deshalb noch nicht sicher.
Am Han-kang liegt die Reichshauptstadt Seul (auch Kjong). Übereinstimmend wird als Korea durchaus gebirgig, wenn auch von zahlreichen Flußthälern durchfurcht, beschrieben; übereinstimmend melden auch alle Quellen von der Armut des Landes, dem Darniederliegen von Ackerbau und Handel, den einfachen Sitten der Bewohner.
Man hat die Bevölkerung zwischen 5 und 20 Millionen geschätzt, doch dürfte sie 9 Millionen kaum übersteigen; eine Zählung von 1793 hat 7,342,341 Köpfe ergeben, wovon 3,596.860 männlich waren. Die Bevölkerung erscheint, wie sich dies in einem so gebirgigen Lande von selbst versteht, sehr ungleich verteilt; in den großen Tälern, namentlich an der Westseite, ist sie sehr dicht, im Osten weit dünner und im Norden spärlich; hier aber nicht etwa, weil Klima und Boden ungünstig wären, was keineswegs der Fall ist, sondern weil die Regierung dort eine künstliche Wüstenei schuf, um die kriegerischen Mandschu fern zu halten, und zu diesem Behufe vier Städte und viele Dörfer schleifen ließ. Auf der Petermannschen Karte ist deßhalb zwischen Korea uud Schiu-king oder Lias tong ein sehr ansehnlicher, breiter Streifen neutralen, unbewohnten Gebietes verzeichnet. Das Klima ist gesund, im Norden sehr streng, wie jenes der Mandschurei, gegen Süden sich jenem Japans nähernd; im Winter gibt es aber Schnee und Eis selbst in den südlichsten Landesteilen. Von drei Seiten vom Meere umfloffen, sind die Niederschläge natürlich sehr häufig, daher der Pflanzenwuchs üppig und die Küsten bieten reizende Scenerien dar.
Friedrich v. Hellwald.
[ Wiener Zeitung – 18731213 – Seite 14 ]
Die gegenwärtige Kenntnis von Korea II.
Die Koreaner gehören nach Friedrich Müller zum ural-altaischen Zweige der hochasiatischen (mongolischen) Rasse und sind ein Mischvolk, nämlich einerseits Nachkommen der in der Geschichte Hoch-Asiens wiederholt auftretenden Sien-pis, die in der nordöstlichen Mongolei ihre Heimat gehabt haben, aber als besondere Nation längst verschwunden sind, andererseits der im Süden Koreas ansäßigen San-Han. Ihre Nationalität und Sprache erhielten sie von dem im zweiten Jahrhundert v. Chr. vom Norden her eingedrungenen Eroberervolk der Kas-li, welches die ganze Halbinsel unter seine Herrschaft brachte. Das Äußere der Koreaner gleicht mehr den Japanern als den Chinesen, lässt aber jedenfalls den mongolischen Typus in scharfer Ausprägung hervortreten. Die abgerundeten Jochbeine springen stark vor, die Nase ist am Stege eingedrückt, die Nasenflügel sind breit, die Augen unabänderlich schwarz und schräg nach innen geschlitzt; der Wuchs ist schlank und kräftig, wahrscheinlich auch größer als durchschnittlich bei den Nachbarvölkern.
Hauptnahrungsmittel ist eine mindere Sorte Reis, dann Weizen, Gerste, Hirse und Mais, der sehr viel gebaut wird. Kohl und Rüben, eingesalzen, werden fast täglich genossen, ebenso an den Küsten Fische; Wohlhabende schlachten Ochsen und Schweine, Ärmere verschmähen auch das Fleisch von Pferden und Hunden nicht, welche letztere bekanntlich auch von den pantophagen Chinesen gerne verzehrt werden.
Tabak baut man zwar, die feineren Qualitäten aber werden aus China eingeführt. Äpfel, Nüsse, Birnen, Aprikosen, Granatäpfel, Pflaumen gedeihen im Lande. Wichtiger als die Baumwollenkultur ist der Anbau der verschiedenen Hanfvarietäten, aus denen grobe, starke Hanfleinwand für die Kleidung der unteren Volksklassen bereitet wird; die Edelleute und Beamten tragen Gewänder von Seide, die in geringer Menge im Lande selbst gewonnen wird. Im übrigen besitzt Korea nur zwei Ausfuhrswaaren, welche von chinesischen Händlern auf halbem Schmugglerwege geholt oder vom Gefolge der alljährlich nach Peking wandernden Gesandtschaft verkauft, außerdem aber auch auf den Jahrmarkt gebracht werden, der mit Erlaubniß der Regierung an der Grenze abgehalten, wird.
Diese zwei Artikel sind Papier und Ginseng. Letzterer (Panax Ginseng) wird unter Schutzdächern von Fichtenrinde aus Samen gezogen; die Wurzeln der Pflanze sind erst nach fünf Jahren zu verwenden, dann werden sie gesammelt und an der Sonne getrocknet. Der koreanische Ginseng wird von den Chinesen bei weitem nicht so hoch geschätzt als der, den die Wälder am Amur und Ussuri liefern, aber doch immerhin mit 3 bis 4 Pfd. St. das Pfund bezahlt. Das koreanische Papier wird aus Baumwolle und der inneren Rinde einer Maulbeerart verfertigt; es ist, gleich dem japanesischen, sehr stark und wird sehr verschiedenartig verwendet.
Der Mineralreichthum der Halbinsel ist sehr groß; es giebt Gold, Silber, Eisen, Kupfer, Blei und Kohle, doch hat sich die Regierung das Recht der Ausbeutung vorbehalten. Die Koreaner verstehen die Metallbearbeitung gerade so gut wie die Japaner und entwickeln mitunter einen feinen, künstlerischen Geschmack. Die Schifffahrt befindet sich dagegen bei ihnen auf tiefer Stufe; auf den Flüssen haben sie Boote mit flachem Boden, an der Küste kleine Dschunken.
Die Lebensweise des Volkes ist, von den Hofkreisen abgesehen, überaus einfach; nicht einmal der Tee ist bis zu ihm gedrungen. Der gewöhnliche Mann trinkt einen Absud von Reis oder Hirse, der Reiche dann und wann als Luxus eine Abkochung von Ginseng; ein schlechter, aus verschiedenen Getreidearten destillirter Branntwein, der stark zu Kopfe geht, wird nur mäßig getrunken. Zucker kommt nur in Apotheken vor, zum Versüßen gebraucht man Honig. Die Kleidung der Volksmassen besteht aus einem langen, weiten Beinkleide, welches bis auf die Knöchel herabgeht, dann aus einem einfachen weiten Kittel, den ein Gürtel zusammenhält. Die höheren Klassen tragen über einem baumwollenen Oberkleide und weiten Baumwoll-Beinkleidern häufig einen bis unter die Kniee reichenden Überwurf aus feiner Seidengaze, vorne mit Knöpfen versehen und öfters Blaßblau gefärbt. Im Winter ist Pelzwerk und wattierte Kleidung üblich. Die Fußbekleidung besteht aus Stroh- oder Zwirnsandalen, welche vorne einen nach oben gerichteten Schnabel haben. Die verheirateten Männer befestigen das zusammengewundene Haar oben auf dem Kopfe mittelst sehr feiner Bambusstäbchen und setzen einen ebenfalls aus Bambus geflochtenen Hut von eigentümlicher Form auf, in welchen der Kopf nicht hineingeht; er sitzt nur fest, weil man ein daran genähtes Band unter dem Kinn befestigt. Die Frauen, welche ihre Füße nicht verstümmeln, wie in China, teilen das Haar am Hinterhaupte ab und tragen dasselbe in zwei Flechten um den Kopf herum gelegt.
Außerordentlich beschränkt ist unsere Kenntniß von den Staatseinrichtungen und den Details der Landesverwaltung Koreas. Wir wissen jedoch, daß es, nach dem Vorbilde Chinas, eine absolute Monarchie ist, unter dem Könige aber es privilegierte Klassen und einen Erbadel gibt, der bekanntlich in China nicht existiert. Unter den Edelleuten haben sich verschiedene Parteien gebildet, auf welche der despotische Monarch Rücksicht nehmen muß. Die Krone ist erblich, aber die Nachfolge mehr als ein Mal bestritten worden, und dann spielen die Edelleute eine wichtige Rolle. Manche von ihnen mögen in ihrer Stellung mit den früheren Dajmios Japans vergleichbar sein. Die Verwaltungsbeamten sollen in der Regel ihre Stellen nur nach gut bestandener Prüfung erhalten, ganz so wie in China, doch gelangen sie wohl mitunter auch durch Kauf oder durch die Gunst des Königs dazu. Sie haben unbeschränkte Macht und Gewalt über Leben und Eigentum des Volkes, die Strafen sind barbarisch und Bambushiebe an der Tagesordnung, selbst wegen der geringsten Vergehen.
Jeder Koreaner ist zum Kriegsdienste verpflichtet; ein stehendes Heer gibt es aber nicht und kann man als eigentliche Soldaten nur die Leibwache des Königs betrachten. Disciplin und Taktik sind selbstredend unbekannte Dinge. Die Landleute jedes Distrikts, welche ohnehin Frohnarbeiten für die Regierung verrichten müssen, werden zu gewissen Zeiten nach der Kreisstadt entboten, wo sie als Bewaffnete und als Polizei Dienst tun. In diesem Falle tragen sie dann nicht den gewöhnlichen Bambushut, sondern darüber eine abgerundete Kopfbedeckung. Ihre Waffen sind Speere, Bogen und Luntenflinten; doch werden in der Hauptstadt auch sonst recht gute Gewehre erzeugt; die Garde trägt Helm und Panzer. Im Kriege bedienen sie sich mitunter langer Überröcke, die so dick mit Baumwolle wattirt sind, daß kein Säbelhieb und keine Musketenkugel hindurch dringt, wohl aber eine Kugel aus gezogenem Laufe. Diese Bekleidung ist jedoch so schwer — der Helm allein wiegt 20 Pfund — daß sie die Mannschaft an freier und rascher Bewegung hindert.
Wie so Manches erinnern auch die religiösen Verhältnisse an China. Im Volke ist der Buddhismus so wie die Lehre des Lao-tse, der Tao verbreitet; die höheren Klassen begnügen sich mit den Morallehren des Kon-fu-tse.
Die Sprache Korea’s ist eine mehrsylbige Stammsprache und steht zum Japanischen und den ural-altaischen Idiomen in einem entfernten Verwandtschaftsverhältnisse. Die ausführlichste, beste und sozusagen die einzige Arbeit, die wir über die koreanische Sprache besitzen, verdanken wir dem französischen Gelehrten Leon de Rosny; darnach weicht das Koreanische schon dadurch vom Chinesischen ab, daß es 27 wirkliche Buchstaben besitzt. Indeß steht das einheimische Alphabet nur in geringer Achtung und wird meist nur von Weibern und Kindern benützt, während alle Gebildeten die chinesischen Schriftzeichen kennen. Indem diese, gleich unseren arabischen Zahlzeichen, eine ganz bestimmte Bedeutung haben, weiß der Annamit, der Japaner, der Koreaner, welcher sie sich einprägt, was sie bedeuten, und so ist vermittelst derselben, obwohl die Sprachen dieser Völker sehr verschieden von einander sind, eine Verständigung möglich; z. B. das Schriftzeichen für Mensch wird im Chinesischen „jĕn“ ausgesprochen, im Koreanischen „saram“, aber das Schriftzeichen vermittelt dem Koreaner wie dem Chinesen denselben Begriff: Mensch .
Obwohl nun, wie man sieht, im Laufe der Jahrhunderte geistige Einflüsse von China nach der koreanischen Halbinsel hinüber gewirkt haben, so ist es doch nichtsdestoweniger Tatsache, wenn auch sicher sehr auffallend, daß in allem übrigen Korea sich fast ganz vom Verkehre mit dem großen Nachbarreiche abgeschlossen hat. Derselbe beschränkt sich lediglich auf die schon mehrfach erwähnten jährlichen Gesandtschaftsreisen, dann auf die periodischen Märkte, die zu Feng-Huang, einer Stadt an der mandschurischen Grenze, stattfinden. Daß nebenbei die Chinesen Schmuggelhandel an der koreanischen Küste treiben, bedarf kaum der Erwähnung und ist bei so strenger Absperrung selbstverständlich. Wie lange diese sich noch wird aufrecht erhalten lassen, ist vorläufig nicht abzusehen, die bisherigen kriegerischen Expeditionen der Franzosen und Americaner mußten unverrichteter Dinge abziehen, trotzdem scheint es keinem Zweifel zu unterliegen, daß die Zeit nicht mehr allzu ferne, wo auch dieses Stück Erde von den Pionnieren der Wissenschaft erschlossen wird.
Friedrich v. Hellwald.