Von Gastautorin Ingrid Wieser (Koreanologie-Studentin der Universität Wien)
Eine Frage, die mir oft gestellt wird, wenn ich neue Leute kennenlerne, ist: „Was studierst du?“ Und wenn ich dann darauf antworte: „Koreanologie“, bekomme ich in den meisten Fällen eine von zwei Reaktionen.
Nummer 1: „Wow ok, cool.“ Und es erfolgt ein Themenwechsel.
Oder Nummer 2: „Wow ok, cool.“ Und es werden Folgefragen gestellt, nachdem eine Bemerkung wie beispielsweise etwa: „Ich kenne niemanden, der/die das macht“, oder: „Das ist schon ziemlich speziell, oder?“, gefallen ist.
Sollte es sich bei meinem Gegenüber um eine interessierte Person handeln, oder einfach bloß um eine, die sich dem Smalltalk etwas länger hingeben möchte, so ist üblicherweise mit Fragen wie „Was ist das genau? Was lernst du da?“ oder „Wie kommt man denn darauf, Koreanologie zu studieren?“ zu rechnen. Alternativ, und mir scheint besonders gern, wird auch gefragt, was man denn nach dem Studium damit anfangen könne. Gewöhnlich hole ich, besonders bei letzterer Frage, nach einem etwas verkniffenem Lächeln tief Luft und antworte.
Eine knappe Erklärung
Koreanologie bildet gemeinsam mit Sinologie und Japanologie die Ostasienwissenschaften. Dieses Fachgebiet der Kulturwissenschaften beschäftigt sich mit Fragen und Gegebenheiten aus der Vergangenheit, wie auch aus der Gegenwart und hat im Allgemeinen die Erforschung Koreas zum Ziel. Neben der Einführung in die koreanische Sprache werden auch Grundlagen in Geschichte, Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion vermittelt und geschult. Studierende erlangen demnach sprachliche und kulturwissenschaftliche Fachkenntnisse.
In Österreich kann man Koreanologie nur in Wien an der Universität Wien studieren, weshalb ich nach der Matura gezwungenermaßen in die Hauptstadt ziehen musste, was mich aber keineswegs störte. Jeder weiß, wie wunderbar es doch ist, in Wien zu leben, vor allem als Student*in. Übrigens kann man Koreanologie auch in Deutschland an mehreren Standorten studieren, unter anderem an der Freien Universität in Berlin, der Universität Hamburg oder der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Allerdings ist die Studienrichtung in Deutschland allgemein unter dem Begriff Koreanistik bekannt.
In Wien wurde jedenfalls bis vor Corona am AKH Campus gelehrt, im Hof 2 und Hof 5, um genau zu sein. In unmittelbarer Nähe befinden sich die Seminarräume der Sinologie und der Japanologie, sowie die Büros der Studienprogrammleitung und der Lehrenden. Durch die Pandemie finden die Lehrveranstaltungen des kommenden Semesters (2020W) großteils online statt. Die Abteilung Koreanologie der Universität Wien wird derzeit von Univ.-Prof. Dr. Rainer Dormels geleitet. Gemeinsam mit ihm bildet ein Team aus mehreren Lektor*innen und Universitätsassistent*innen den Lehrkörper.
Der erste Tag
Ganz aufgeregt war ich damals, als der Tag der Überblickslehrveranstaltung, kurz ÜLV, gekommen war. Die ÜLV ist eine einmalige Lehrveranstaltung, die dazu dient, gängige Fragen bezüglich des Studiums zu Semesterstart für Studienanfänger*innen zu beantworten. Sie bietet auch eine gute Möglichkeit zum Vorstellen und Kennenlernen jener Mitarbeiter*innen des Instituts und der neuen Student*innen. Bevor es losging, stand ich da also im Gang mit gefühlt hundert anderen aufgeregten Erstsemstrigen. Verstohlen schaute ich mich um, ein paar Grüppchen hatten sich bereits gebildet. Kaum ging dann die Tür des Seminarraumes auf, strömten die Menschen regelrecht hinein, um noch einen Sitzplatz zu erhaschen. Reges Gemurmel ließ die Vorfreude über diesen Moment, der den Beginn etwas Neuem, etwas Großem beschrieb, erahnen. Abrupt war es dann still, als der Professor das Wort ergriff. Und der Rest ist Geschichte. Drei Jahre beziehungsweise 6 Semester später, habe ich die Module Sprachbeherrschung, Geschichte, Quellen-, Landeskunde und Kultur Koreas sowie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Koreas positiv absolviert und kann mich nun dem Extracurriculum widmen.
Schnell ist die Zeit vergangen und ich blicke gern zurück. Koreanologie zu studieren, fühlte sich zum Zeitpunkt der Inskription trotz meiner Begeisterung für die Sprache und Kultur wie ein Wagnis an. Doch spätestens während ich letzten Sommer in Korea ein Praktikum bei einer NGO absolvierte, stellte sich heraus, dass meine Entscheidung goldrichtig war. Die in Korea gesammelten Erfahrungen sind mir heute fast so wichtig wie die Reifeprüfung selbst.
Nach dem Studium
Was danach kommt? Das weiß ich jetzt noch nicht. Das liegt aber keineswegs an der Abwesenheit karrierespezifischer Perspektiven, sondern vielmehr an persönlicher Planlosigkeit. Vom Tourismus und Verlagswesen über zur Medienarbeit bis zu Tätigkeiten innerhalb internationaler Unternehmen und Organisationen – die Auswahl an Beschäftigungsmöglichkeiten nach dem Studium ist groß. Manchmal kann das ganz schön überfordernd sein, finde ich.
Ganz anders geht es da Gloria Grabmayr. Obwohl sie mit ihrem Koreanologie Studium erst ganz am Anfang steht, hat sie jetzt schon einen konkreten Plan, wie sie ihre Fähigkeiten als zukünftige Koreanologin für ihr späteres Leben einsetzen möchte. Die 20-jährige Wienerin erzählt während unseres telefonischen Interviews, begeistert von ihren Ambitionen. Siemöchte ihr Leben ihrer großen Leidenschaft, dem Irish Dance, widmen und träumt davon eines Tages ein Tanzstudio in Korea zu eröffnen. Alternativ könne sie sich auch vorstellen als „wandernde Tanzlehrerin“ durch Korea beziehungsweise Ostasien zu ziehen. Ihre Begeisterung für die Halbinsel wurde durch eine Koreareise nach der Matura entfacht. Sie erzählte mir, dass ihr großes Interesse an koreanischer Architektur und Kunst, die Esskultur und der allgemeine Lebensstil der Koreaner*innen sie dazu veranlasste, diesen Entschluss zu fassen. Um ihre Chancen im Ausland so gut wie möglich auszubauen, möchte sie das Studium dazu nutzen, ihre interkulturellen Kompetenzen zu stärken und die koreanische Sprache zu erlernen. Dabei hat sie mit ihrem zweiten Hauptfach schon einiges an Vorwissen über Ostasien vorgelegt. Vor zwei Jahren hatte sie begonnen Japanologie zu studieren und sich nun trotz Corona dazu entschieden, ein zweites Studium anzufangen. Die Umstellung zum E-Learning System wird für sie also kein Problem darstellen. Vielmehr hofft sie darauf, mit dem Arbeitspensum gut klarzukommen. Gloria gestand mir schmunzelnd ihre Hoffnung darauf, dass die japanischen Schriftsysteme, die sie im Rahmen ihres Japanologie Studiums bereits erlernt hat, ihr das Lernen der Hanja-Zeichen vielleicht erleichtern. Selbst ohne besondere Vorkenntnisse kann man Hanja lernen. Das weiß ich aus Erfahrung.
Ich bin mir auch sicher, dass es für Gloria ein Einfaches sein wird, einen Sitzplatz bei der diesjährigen ÜLV zu ergattern. Aufgrund der jährlich steigenden Studienanfängerzahl, wird die Lehrveranstaltung schon seit letzten Jahr nicht mehr im Seminarraum, sondern im großen Hörsaal am AKH Campus abgehalten. Und beim online stattfindenden Termin muss man sich in Bezug auf einen Sitzplatz ohnehin keine Sorgen machen.