Von Gastautorin Michaela Zajonskowski (Koreanologie-Studentin der Universität Wien)

Illustration eines neunschwänzigen Fuches im chinesischen Text Shan Hai Jing
So wie in vielen anderen Ländern findet man auch in der koreanischen Folklore unzählige Fabelwesen, die Jung und Alt ein Begriff sind. Eines dieser Wesen ist die sogenannte Gumiho/Kumiho [구미호], eine neunschwänzige Füchsin, die ihre Form beliebig verändern kann und oft in Frauengestalt auftritt. Seinen Ursprung findet die Legende der Gumiho in chinesischen Mythen und dieser chinesische huli jing, der japanische kitsune und eben die koreanische Gumiho weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Jedoch gibt es ein Merkmal, das die Gumiho von huli jing und kitsune unterscheidet. Huli jing und kitsune sind zumeist gütig und weise und nur selten bösartige Kreaturen. Die Gumiho jedoch wird fast ausschließlich als bösartiges Wesen, das sich von Menschenfleisch ernährt, dargestellt.
Die Entstehung einer „Gumiho“

Miho, aus dem Drama ‚My Girlfriend Is A Gumiho‘ mit ihren 9 Schwänzen. Quelle: MediaUs
Die Bezeichnung Gumiho leitet sich aus den chinesischen Zeichen 九 (구 – Neun), 尾 (미 – Schwanz), und 狐 (호 – Fuchs) ab und bedeutet somit wortwörtlich ‚neunschwänziger Fuchs‘. Die Füchsin besitzt diese neun Schwänze jedoch nicht von Beginn an, sondern bekommt für alle 100 Jahre, die sie lebt, einen Schwanz dazu. In ihrem 1000. Lebensjahr bekommt sie also ihren neunten Schwanz und wird somit zu einer Gumiho. Sobald die Gumiho ihren neunten Schwanz bekommen hat, hat sie die Möglichkeit ein Mensch zu werden. Jedoch ist dies damit verbunden, dass sie Menschenfleisch (meist die Leber) essen muss. Um dies zu erreichen verwandelt sich die Gumiho zumeist in eine schöne Frau, damit sie Männern den Kopf zu verdrehen und somit ihre Leber essen kann.
Dieses Thema findet sich auch in der weit verbreitetsten Erzählung des ‚Fuchsmädchens‘ wieder. Hier wird einem reichen Paar, nach einigen Buben, endlich ein Mädchen geboren, welches auch zum Lieblingskind der Eltern wird. Mit dem Erreichen der Pubertät des Mädchens, beginnen die Tiere am Hof zu sterben und ihre Brüder und die Hirten werden beauftragt die Tiere zu beschützen.
Einer der Brüder beobachtet wie seine Schwester einer Kuh die Leber aus dem Leib reißt und diese verspeist. Obwohl alle drei Söhne Zeugen solcher Vorfälle werden, glaubt der Vater ihnen nicht und verbannt sie von seinem Hof. Einer der Söhne wendet sich schließlich an einen Mönch, welcher ihm sagt, dass seine Schwester entweder von einem Fuchs besessen wurde oder von einem Fuchs gefressen worden ist und der Fuchs nun die Gestalt der Schwester angenommen hat.
Daraufhin macht sich der Bruder auf zurück zum Hof der Eltern, nur um diese und sämtliche Tiere tot vorzufinden. Es kommt zu einem Kampf mit seiner Schwester, die er mit Hilfe eines Trankes, den er vom Mönch bekommen hat, besiegt und so mit seinem Leben davonkommt.
Hier kommt die bösartige Natur der Gumiho gut zur Deutung und durch diese Erzählung werden auch die konfuzianischen Werte, die in der koreanischen Gesellschaft wichtig sind, aufgezeigt. Die koreanische Gesellschaft folgt dem patriarchischen Familiensystem und somit waren zumeist die Söhne diejenigen, die bevorzugt wurden. In der Geschichte des Fuchsmädchens begeht der Vater also einen folgenschweren Fehler, indem er der Tochter mehr glaubt, als seinen Söhnen. Diesen Fehler müssen seine Frau und er mit dem Leben bezahlen.
Der Fuchs hat aber eine weitere Bedeutung in der koreanischen Kultur: Er ist das Symbol der sexuellen Durchtriebenheit. Das koreanische Wort für Fuchs, yeo-woo [여우], wird als Bezeichnung für Frauen verwendet, die durchtrieben sind und die Männer um ihre Finger wickeln wollen. Diese Bedeutung findet sich auch oft in den Darstellungen der Gumiho in den unterschiedlichsten Medien wieder.
Film, Drama, und mehr…

The Thousand Year Old Fox Poster. Quelle: IMDb
Wie viele andere mythische Wesen, findet auch die Gumiho ihren Platz in unterschiedlichen Medien, allen voran in Filme und Dramen. Die Legende der Gumiho eignet sich besonders gut für Horrorfilme, wie zum Beispiel Shin Sang-ok in seinem Film The Thousand Year Old Fox [천년호] (1969) zeigt. Shin versetzt seine Handlung in die Silla Zeit (also in die Zeit der drei Königreiche von 57 v.Chr – 668 n.Chr.) und erzählt die Geschichte einer Gumiho, die in einem Teich am Land lebt. Im Laufe des Films ergreift diese Gumiho Besitz von einer jungen Frau namens Yeo-hwa, die Rache gegen die Königin schwört, weil diese sie und ihr Baby verbannt hatte, nachdem ihr Mann Won-rong nicht auf die Avancen der Königin eingegangen war. Die Gumiho wird in Shins Film also als rachsüchtiges und bösartiges Wesen dargestellt, was dem üblichen Bild der Gumiho entspricht.
Der Film The Fox Family [구미호 가족] (2006) von Lee Hyung-gon präsentiert seine Gumiho Geschichte in einem eher ausgewöhnlichen Gewand, da er auch auf Musical Sequenzen setzt, die die Familie, die im Zentrum des Geschehens steht, als sympathisch darstellen soll. Jedoch besteht eben jene Familie aus Gumiho, die sich von ihrem Heimatort in den Bergen in die Stadt begeben hat, um dort Menschen zu töten, deren Leber zu essen und somit zu Menschen zu werden. Dieses Vorhaben wird jedoch erschwert, da sich die älteste Tochter in den Betrüger, den die Familie geschnappt hat, verliebt. Auch hier werden die Gumiho wieder als mordende und Menschenfleisch fressende Kreaturen dargestellt, auch wenn versucht wird, für die Gumiho Familie Sympathie zu erwecken.
Neben Filmen bedienen sich aber auch koreanische Dramen gerne des Gumiho Stoffes in unterschiedlichen Ausführungen. Eines der wohl bekanntesten Dramen mit dem Gumiho-Thema ist die romantische Komödie My Girlfriend Is A Gumiho [내 여자친구는 구미호], aus dem Jahr 2010, mit den Hallyu Stars Shin Min-ah und Lee Seung-gi in den Hauptrollen. Hier wird die Geschichte einer Gumiho erzählt, die, mit Hilfe eines jungen Mannes versucht, im Seoul der Gegenwart ein Mensch zu werden. Auf ihrem Weg dahin müssen die beiden viele Hindernisse überwinden. Wie in so vielen koreanischen Dramen wird auch ihre Liebe auf eine harte Probe gestellt.

Poster zu Gu Family Book. Quelle: MBC
Während Lee Seung-gi in My Girlfriend Is A Gumiho (MGIAG) noch einen Menschen verkörpert hat, wechselte er die Seiten in Gu Family Book [구가의 서] aus dem Jahr 2013 und spielt dort ein Wesen das halb Mensch, halb Gumiho ist. Anders als My Girlfriend is A Gumiho, spielt Gu Family Book in der Joseon Zeit und der Halb-Gumiho Kang Chi ist hier auf der Suche nach einem Jahrhunderte alten Buch, das das Geheimnis beinhalten soll, wie ein Gumiho zum Mensch werden kann.

Poster zu Tale of the Nine Tailed. Quelle: tvN
Auch das dieses Jahr ausgestrahlte Drama Tale Of The Nine Tailed [구미호뎐] hat einen männlichen Gumiho als Protagonisten. Zentrales Thema des Dramas ist aber nicht der Gumiho an sich, sondern die schicksalshafte Verbindung zwischen Lee Yeon (Lee Dong-wook) und Nam Ji-ah/Ah Eum (Jo Bo-ah). Jedoch ist bei diesem Drama interessant, dass neben Lee Yeon auch noch weitere Gumiho auftreten und die Charaktereigenschaften von gutmütig über boshaft bis hin zu rachsüchtig reichen. Auch fällt auf, dass wir es hier mit Gumihos zu tun haben, jedoch verzichtet das Drama bisher gänzlich auf die Darstellung der neun Schwänze, die typisch für Gumihos sind.
Was bei diesen drei Dramen ins Auge sticht ist, dass die Gumihos im Großen und Ganzen als gutmütig dargestellt werden, vor allem wenn es sich bei ihnen um die Hauptcharaktere handelt. Da in den Dramen meist eine romantische Beziehung im Mittelpunkt steht und einer der Liebenden gegen Ende in Lebensgefahr gerät, können die Gumihos aber auch durchaus in Rage geraten und ihre Kräfte nutzen, um gegen die Gegner zu kämpfen, und versuchen den/die Geliebte(n) zu retten.
Neben diesen drei Dramen befassen sich aber unter anderem auch noch Forbidden Love [구미호외전] (2004), Grudge: The Revolt Of Gumiho [구미호: 여우누이뎐] (2010) oder Nailshop Paris [네일샵 파리스] (2013) mit dem Gumiho in Menschengestalt.
Neben Filmen und Dramen findet sich der Gumiho aber auch in anderen Medien wieder. In einer Folge der koreanischen Variety-Show Running Man [런닝맨] mussten die weiblichen Gäste und Cast Mitglied Song Ji-hyo, mit Hilfe des männlichen Casts, versuchen neun Fuchsschwänze zu ergattern, um zu gewinnen.
Weiters sind Gumiho immer wieder in Computerspielen zu finden, sei es als zu spielende Charaktere, als Figur, die man besiegen muss, oder einfach als ein spezieller Skin (‚Kostüm‘).
Auch gibt es Webtoons, wie The God Of High School [갓 오브 하이 스쿨] oder Inattentional Blindness [무주의 맹시] in denen Gumiho Charaktere vorkommen und selbst im Marvel Universum gibt es mit White Fox einen neunschwänzigen Fuchs.
Der Fuchs in österreichischen Sagen

Wilhelm von Kaulbach: Reineke Fuchs als Sieger. Illustration, erschienen 1846; in Kupfer gestochen von Adrian Schleich, München
Den Fuchs als Fabelwesen findet man generell in Erzählungen Eurasiens, Nordamerikas und des Mittelmeerraums, da der Fuchs als Lebewesen hier weit verbreitet ist. Schon in der Antike, zum Beispiel bei Äsop, findet man erste Erzählungen, in denen der Fuchs eine größere Rolle spielt.
In Österreich findet man den Fuchs in Sagen und Märchen oft unter dem Namen Reineke Fuchs. Am bekanntesten ist hier das Prosaepos Reynke de vos aus dem 15. Jahrhundert, in dem der Fuchs als einer der Charaktere auftritt. Reineke ist in diesen Geschichten ein Übeltäter, der sich mithilfe allerhand Lügengeschichten aus einer brenzligen Situation nach der anderen rettet und am Ende immer als Sieger dasteht.
Das Epos erzählt die Geschichte von zwei Gerichtsverhandlungen, die gegen Reineke Fuchs abgehalten werden. Während des Hoftages beim König der Tiere, dem Löwen Nobel, beschweren sich einige Tiere, wie der Wolf Isegrim, über Reinekes Untaten und wollen, dass dieser bestraft wird. Nachdem Braun, der Bär, und Hinz, der Kater, nur knapp dem Tode entrinnen, als sie Reineke an den Hof holen wollen, setzt der König Reinekes Erscheinen am Hof durch und der Fuchs wird zum Tode verurteilt.
Jedoch schafft Reineke es durch eine Lüge, Isegrim und Braun als Hochverräter dastehen zu lassen und entkommt somit dem Tod durch Hängen. Reineke begibt sich in Folge auf eine ‚Pilgerreise‘, und deckt seine Lüge selbst auf, indem er Meister Lampes abgebissenen Kopf an den König schickt, welcher schlussendlich Braun und Isegrim begnadigt.
Daraufhin wird Reineke wieder zum Hof gebracht, diesmal von Grimbart dem Dachs, und in der zweiten Gerichtsverhandlung kommen weitere Schandtaten des Fuchses zum Vorschein. Isegrim bezichtigt Reineke der Schändung seiner Gemahlin, woraufhin Nobel ein Urteil spricht und Reineke muss gegen Isegrim zum Kampf antreten. Reineke überlebt dem Kampf mit dem ihm körperlich überlegenem Isegrim durch unsportliche Schachzüge, zieht aber das Publikum auf seine Seite und wird von König Nobel zum Kanzler des Reichs ernannt.
Der Fuchs in der österreichischen/europäischen Version ist also ebenfalls eine eher zwielichtige Gestalt, die durch Lügen ihre Ziele erreicht. Bis heute spiegelt sich der Inhalt des Reineke Epos auch in der deutschen Sprache wider, wenn wir jemanden als ‚listig wie ein Fuchs‘, oder ‚schlau wie ein Fuchs‘ bezeichnen.