Während sich die Welt langsam an die „neue Normalität“ in der COVID-19-Zeit gewöhnt, erleben große Ausstellungen ein Renaissance. Eine der allerersten Kunstausstellungen, die wieder stattfand, war die Viennacontemporary, eine jährliche Messe für zeitgenössische Kunst, die dieses Jahr vom 24. bis 27. September in den historischen Sälen der Marx-Halle in Wien über die Bühne lief.
Fünfundsechzig Galerien aus sechzehn verschiedenen Ländern nahmen an der Messe teil, davon sechzehn zum ersten Mal. Jedoch wurde nur eine der Hallen genutzt, statt der üblichen zwei.
Inmitten all dieser stand eine Galerie heraus: Galerie H.A.N. aus Seoul, die einzigen Aussteller von außerhalb Europas, die trotz der Krise teilnehmen konnten. Frau Sungwon Lee, die Besitzerin der Galerie H.A.N., ist bereits seit 10 Jahren jährlich bei der Viennacontemporary (als einzige koreanische Galerie) und anderen europäischen Kunstmessen dabei.
Wir sprachen mit ihr über die Wertschätzung der koreanischen Kunst in Österreich und die Arbeit in Zeiten von COVID-19.
Was bedeutet es für Sie in dieser schwierigen Zeit von COVID-19 nach Österreich zu kommen?
„Die meisten Kunstmessen, an denen ich teilnehmen wollte, sind abgesagt, verschoben oder online verlegt worden. Viennacontemporary war eine der wenigen Kunstmessen in Europa, die wie geplant ihre Türen öffnen konnten. Die persönliche Teilnahme ist sehr wichtig, um mit den vielen Sammlern, die in den letzten zehn Jahren koreanische Kunst gekauft haben, eine kontinuierliche Beziehung aufrechtzuerhalten. Kunstwerke müssen als lebendige Objekte gegen die Entwicklung des Stils und der Gefühle des Künstlers, der sie geschaffen hat, geschätzt werden. Aus diesem Grund kommen die Sammler jedes Jahr wieder an den Stand der Galerie H.A.N. Zum Glück konnte ich mit etwas Hilfe ohne Probleme nach Wien kommen. Was die Veranstaltung selbst betrifft, so haben sich die Organisatoren von Viennacontemporary sehr um die Sicherheit bemüht. Das Tragen einer Maske war obligatorisch und die Besucher mussten online bestimmte zweistündige Zeitfenster für ihren Besuch reservieren. “
Die Werke von Myungil Lee und Ryung Kal
In diesem Jahr stellte die Galerie H.A.N. die Werke von zwei koreanischen Künstlern bei der Viennacontemporary aus: Myungil Lee und Ryung Kal.
In Myungil Lees Werken geht es um Introspektion, Selbstreflexion und das Verstehen der menschlichen Existenz und Identität. Der Titel der bei Viennacontemporary gezeigten Serie lautet „To Exist or To Sustain?“. Seine Werke sind von seinem Leben inspiriert und beziehen Dinge, die er sieht, oder Menschen, die er trifft, mit ein. Er vermeidet Vorurteile über Farben und Formen, indem er die Phantasie des Publikums durch Abstraktion anregt.
Er erklärt: „Kinder reden viel, sie sagen alles, was ihnen in den Sinn kommt, aber sobald man erwachsen wird, hört das auf. In meinen Arbeiten geht es darum, wieder ein Kind zu sein, wieder unschuldig zu werden, um den Prozess des menschlichen Lebens, um Handlungen und das Bewusstsein von Menschen.
Ryung Kals Serie „Universe“ wurde auch von der Galerie H.A.N. bei Viennacontemporary ausgestellt. Die in Deutschland geborene und in den USA ausgebildete koreanische Malerin ist vor allem für ihre zarten, abstrakten Gemälde bekannt, die aktiv die empfindlichen Sinneseindrücke hervorheben und ihren inneren psychologischen Fluss visuell kanalisieren.
Dies war der neunte Besuch von Myungil Lee in Viennacontemporary und er schätzt Wien sehr. „Wien ist eine sehr lebenswerte Stadt, mit ausgezeichneter Infrastruktur und Kulturangeboten. Leider hatte ich bisher noch keine Gelgenheit, , Orte außerhalb Wiens zu besuchen. Ich mag die Kunstszene in London und Paris, aber Wien und Basel geben mir ein ganz besonderes Gefühl. Würde ich ein eigenes Studio in Europa eröffnen, dann vielleicht in Österreich. Aufgrund der kulturellen Schätze, die die Stadt beherbergt, sind die Wienerinnen und Wiener mit allen Arten von Kunst vertraut, auch mit zeitgenössischer Kunst. Außerdem genieße ich den eigenen Charakter von Viennacontemporary sehr. Die Messe zieht sowohl erfahrene als auch neue Sammler an. “
Was sind Ihrer Meinung nach besondere Merkmale der koreanischen Künstler oder Kunst?
„Korea war nach dem Koreakrieg eines der ärmsten Länder der Welt. Die Koreaner mussten sehr hart arbeiten, um Entwicklung zu erreichen. Leider erfolgten die wirtschaftlichen und technologischen Errungenschaften auf Kosten von kulturellen Aktivitäten wie Kunst oder Musik. Nur wenige Künstler waren in den Jahren des Wiederaufbaus aktiv. Die Maler bevorzugten den Realismus, der die Realität auf natürliche Weise darstellt. Die heutigen koreanischen Künstler ziehen es jedoch vor, ihre Emotionen in ihren Gemälden zu zeigen. Koreanische Künstler sind sehr offen für ihre Gefühle geworden und weltweit sehr aktiv.“

viennacontemporary 2020 © kunst-dokumentation.com
Erfolg trotz Pandemie
Trotz der COVID-19 Krise war die Viennacontemporary eine lohnende Ausstellung für Sungwon Lee. Der Rückgang der Besucherzahl wurde durch das gestiegene Interesse an den Kunstwerken kompensiert.
„Normalerweise finden während der Messe Sitzungen und Abendessen mit Sammlern statt, aber in diesem Jahr sind sie alle abgesagt worden. Einige Besucher hatten es eilig, weil sie nur zwei Stunden Zeit hatten, um die ganze Messe zu sehen. Einige Sammler, die die Messe regelmäßig besuchen, konnten diesmal nicht kommen, aber wir waren froh, neue Sammler kennenzulernen.“
Obwohl sie sich zuvor Sorgen wegen der Pandemie gemacht hat, war Sungwon Lee von der Organisation der Messe beeindruckt.
„Meine Sorgen und Zweifel wurden gelindert. Es war eine schöne Kunstmesse und die Wiener waren wie immer sehr nett und höflich.“
Wir hoffen, Frau Lee und die Galerie H.A.N. auch nächstes Jahr wieder in Wien begrüßen zu dürfen!

from left to right: Managing Director Tatiana Ilyina, Artistic Director Johanna Chromik, Chairman of the Board Dmitry Aksenov at viennacontemporary Opening Day, © kunst-dokumentation.com