Regisseur: Kim Hyun-seok (김현석)
Jahr: 2017
Dauer: 119 min.
Cast: NA Moon-hee (나문희), LEE Je-hoon (이제훈), LEE Sang-hee (이상희), KIM So-jin (김소진), PARK Chul-min (박철민)
In den vergangenen 20 Jahren hat Na Ok-boon (NA Moon-hee) über 8.000 Beschwerden bei der lokalen Behörde eingebracht – und täglich werden es mehr. Dieser Umstand hat ihr mittlerweile den (wenig charmanten) Spitznamen „Kobold-Oma“ eingebracht. Der neue Mitarbeiter der Behörde, ein junger Mann namens Park Min-jae (LEE Je-hoon), nimmt sich ihrer Beschwerden an und scheint sie, im Vergleich zu den anderen (bereits ziemlich genervten) Mitarbeiter*innen, sogar ernst zu nehmen. Davon überrascht, nimmt Ok-boon nun Min-jae „ins Visier“ und ein erster Konflikt entsteht. Stur, wie die beiden Charaktere sind, könnte dieser Konflikt problemlos den ganzen Film über fortgesetzt werden, doch glücklicherweise ist dem nicht so.
Durch Zufall findet Ok-boon heraus, dass Min-jae fließend Englisch spricht. Sie selbst versucht bereits seit mehreren Jahren, Englisch zu lernen, konnte in den Kursen jedoch nicht wirklich mithalten. Sie „bittet“ Min-jae daher, ihr Unterricht zu geben – er lehnt ab. Mehrfach und mit Nachdruck. Doch auch Ok-boon lässt nicht locker und so ist der Grundstein die „Beziehung“ dieses unwahrscheinlichen Duos gelegt: Immer öfter essen Min-jae und sein entfremdeter jüngerer Bruder mit Ok-boon zu Abend und entwickeln sich so zu einer kleinen Familie. Eines Abends fragt Min-jaes Bruder nach Ok-boons Gründen, Englisch lernen zu wollen – sie erklärt ihm, dass ihr Bruder in den USA lebt und kein Koreanisch mehr spricht und dass dies der einzige Grund sei. Als wenig später der tatsächliche Grund für Ok-boons Bemühungen ans Tageslicht kommt, sind Min-jae und ihre Freunde im Viertel geschockt.
I Can Speak präsentiert sich zunächst als geradezu harmlose Generationen-Komödie. Eine schwierige (sture) ältere Dame auf der einen Seite und ein junger Mann, der seine Prinzipien hat und sich genauestens an die Regeln hält, auf der anderen. Die Beziehung der beiden, die sich nach ihrem ersten Treffen langsam entwickelt und inniger wird, fügt sich hier sehr gut ein und bereitet auf die zweite Hälfte des Filmes vor. Es ist gut, dass Regisseur KIM sich mit der Wende des Films ein wenig Zeit gelassen und die Beziehung der beiden zunächst in den Vordergrund gestellt hat, denn so wurde vor Enthüllung des Geheimnisses ausreichend Vertrauen aufgebaut.
Haben die Zusehenden nun etwa die 2/3-Marke des Filmes erreicht, wird es Zeit, Taschentücher zu holen. Hier verlagert der Film nun seinen Fokus und visiert eine andere Thematik an – die Geschichte, die im Anschluss erzählt wird, basiert auf den Bemühungen der koreanischen Aktivistin Lee Yong-su. Durch Ok-boon wird geschildert, wie sie versuchte, die Kriegsverbrechen der japanischen Armee an der koreanischen Bevölkerung international bekanntzumachen. Der Filmtitel knüpft hier auf gleich mehrere Arten an, denn während Ok-boon in der Szene bestätigt – I can speak –, hat diese Aussage doch noch eine weitere Bedeutung. Nach über 60 Jahren ist sie bereit, ihr Schweigen zu brechen; mit ihrer neugefundenen Familie im Rücken ist sie gestärkt, sie findet ihre Stimme wieder und ja, sie kann sprechen.
NA Moon-hee (Miss Granny 2014) geht in ihrer Rolle der „Kobold-Oma“ Na Ok-boon vollkommen auf. Es ist nicht zu bestreiten, dass sie der Star des Films ist und den übrigen Darsteller*innen beinahe ein wenig die Show stiehlt. Allerdings scheint sie auch eine gewisse Gabe dafür zu haben, andere mitzureißen, denn auch die kleinsten und scheinbar „unwichtigsten“ Interaktionen mit ihr fühlen sich sehr menschlich und real an. Sie ist nicht nur als die laute, sture dokkaebi halmeoni großartig, sondern liefert auch in den ruhigen Momenten, in denen scheinbar gar nicht viel passiert, eine überzeugende Performance, die noch lange in Erinnerung bleibt. Auch LEE Je-hoon (Move to Heaven 2021) macht seine Sache als Park Min-jae sehr gut – er ist etwas ungeschickt, distanziert, ein Fan von Regeln. Zwar wehrt er sich mit Händen und Füßen gegen Ok-boons „Bitten“, ihr Englisch beizubringen, doch im Endeffekt gibt er sich geschlagen, wohl vorrangig aufgrund seines kleinen Bruders. Mit der Zeit bessert sich das Verhältnis der beiden, wobei im entscheidenden Moment noch einmal an den Anfang zurückerinnert wird: How are you, Ok-boon? – I’m fine, thank you. And you?