Titel: Little Forest
Liteul Poreseuteu (리틀 포레스트 )
Regiesseur: Yim Soon-rye (임순례)
Jahr: 2018
Dauer: 103 Minuten
Besetzung: Kim Tae-ri (김태리), Moon So-ri (문소리), Ryu Jun-Yeol (류준열), Jin Ki-Joo (진기주)
Little Forest, oder der (un)stillbare Hunger für die einfachen Dinge im Leben
Little Forest ist ein zweibändiger Manga vom japanischen Mangaka Daisuke Igarashi. Die Geschichte eines jungen japanischen Mädchens, das in ihre Heimat auf dem Land zurückkehrt, wurde schon vom japanischen Filmproduzenten Jun’ichi Mori als Spielfilm adaptiert. Er ist dabei dem Originalformat gefolgt und hat die Geschichte in zwei Teilen erzählt: Little Forest: Summer/Autumn (2014) und Little Forest: Winter/Spring (2015). Die traumhaft-anmutende Qualität dieser Filme inspirierte einen koreanischen Produzenten dazu, die Geschichte der herausragenden Korean New Wave Regisseurin Yim Soon-rye zu zeigen. Sie war es leid, dass vorrangig Filme mit großem Budget die meiste Aufmerksamkeit innerhalb der koreanischen Filmindustrie für sich gewinnen konnten und beschloss daher, einen „kleineren“, intimen Film, der vor allem die jüngere (weibliche) Generation Südkoreas ansprechen sollte, zu drehen.
Das Wesen von „Little Forest“ ist einfach und rein – die Geschichte überschreitet Grenzen und kann wohl jedes Publikum gleichermaßen ansprechen. Im Falle dieses Films wurde „Little Forest“ für das koreanische Publikum adaptiert, doch wahrscheinlich wäre es ebenso einfach gewesen, die Story für Österreich umzusetzen. Yim Soon-rye hat die Geschichte mit großer Sorgfalt in die koreanische Kultur und Geschichte eingebettet und lässt sie durch die Sicht und die Erfahrungen einer koreanischen Frau sprechen – mithilfe zahlreicher Metaphern, der koreanischen Landschaft und nicht zuletzt köstlich aussehenden Speisen. Im Mittelpunkt des Films steht eine der vielversprechendsten, aber auch vielseitigsten Schauspielerinnen der gegenwärtigen Generation: Die charismatische Kim Tae-ri, die einfach perfekt für die Rolle ist.
Nachdem Hye-won (Kim Tae-ri) nach Seoul gezogen ist, um ein „besseres Leben“ zu finden, daran jedoch gescheitert ist, kehrt sie ihr Heimatdorf Uiseong, in der nördlichen Gyeongsang Provinz zurück. Ihre Reise nach Hause ist eine einsame Erfahrung, denn ihre Mutter (Moon So-ri) ist ausgezogen als Hye-won 18 Jahre alt geworden ist. Das Haus ist leer, ebenso die Speisekammer – um aber trotzdem etwas essen zu können, liegt es nun an Hye-won, etwas anzubauen und zuzubereiten. Sie trifft im Laufe der Zeit ihre Freunde Eun-sook (Jin Ki-joo), die es satthat, in einer Kleinstadtbank zu arbeiten, und Jae-ha (Ryu Jun-yeol), der den Bauernhof seines Vaters übernommen hat und damit auch erfolgreich ist, wieder. Trotzdem ist es alles andere als einfach ein Bauer zu sein. Beide sind froh, dass Hye-won zurückgekehrt ist, jedoch beharrt sie darauf, dass sie nur „ein paar Tage“ bleiben wird. Die Tage werden zu Wochen, zu Monaten und mit den wechselnden Jahreszeiten, kommt es letztlich auch zu einer Veränderung in Hye-wons Gefühlswelt. Die kalte, harte Erde um das Haus verwandelt sich langsam (und durch harte Arbeit) in ein üppiges Feld – gleichzeitig scheinen die leckeren Gerichte Mutter und Tochter, die Vergangenheit und die Gegenwart, zu verbinden und eine gewisse Leere aufzufüllen.
Regisseurin Yim, die subtil und ruhig an die Sache herangeht und mithilfe wundervoller, farbenfroher Kinematographie jedes Bild zum Leben zu erwecken scheint (bei jeder Speise läuft einem als Zuseher*in das Wasser förmlich im Mund zusammen), legt es der Film nicht darauf an, die Zusehenden herauszufordern oder gar zu sehr aufzuregen, viel eher geht es darum, eine Pause und ein Gefühl von seelentiefer Heilung zu bieten.

Achtung: Der Film sollte am besten nicht auf leeren Magen angeschaut werden – die vielen Essenszenen machen hungrig!
Das Porträt der Regisseurin
Zur Korean New Wave gehören Regisseure, die weltweit berühmt sind – eben solche wie Bong Joon-ho (Parasite, Snowpiercer) und Park Chan-wook (Oldboy, The Handmaiden). Es gibt nur wenig weibliche Namen auf dieser Liste, doch das ist keine große Überraschung, denn die koreanische Filmindustrie ist traditionell eher „männlich“. Trotzdem (und zum Glück): Yim Soon-rye (임순례) ist die Ausnahme und hebt sich deutlich ab.
Yim ist Absolventin der Studienrichtung „Englische Literatur“ an der Hanyang Universität, machte ihren Master in Filmwissenschaften an der Université Paris 8 Vincennes-Saint-Denis und begann sich bereits 1993, nach ihrer Rückkehr nach Südkorea, für das Drehen von Filmen zu interessieren.
Sie arbeitete zunächst als Regieassistentin, bevor sie 1994 ihren ersten Kurzfilm Promenade in the Rain drehte und somit auf sich aufmerksam machte. Sie erhielt für das Werk den „Grand Prize“ sowie den „Press Award“ beim 1st Seoul International Short Film Festival. 1996 sollte dann der Debütfilm Three Friends folgen, der neben „gesellschaftlichem Druck“ auch das Thema der „koreanischen Maskulinität“ aufgriff. Sie erhielt dafür den „NETPAC Award“ beim International Busan Film Festival.
Ihre Arbeit in den darauffolgenden Jahren war nicht ohne Herausforderungen, jedoch zeigte sie ein Talent dafür, interessante Projekte anzunehmen, die dann von den Kritikern fleißig gelobt wurden. Ihr Spielfilm Waikiki Brothers aus dem Jahr 2001, gewann viele Auszeichnungen, darunter auch den sogenannten „Korean Oscar“ – nämlich den Preis für den „Besten Film“ bei den 2002 Baeksang Arts Awards.
Ihr dritter Spielfilm, ein von Frauen angetriebenes Sportdrama Forever the Moment (2008), wurde sowohl ein kommerzieller Hit als auch ein Favorit unter den Filmkritikern. Sie gewann die Auszeichnung für den „Besten Film“ sowohl bei den Baeksang Arts Awards 2008 als auch bei den Blue Dragon Film Awards 2008 und wurde zur Regisseurin des Jahres gekürt.
Ihr jüngster Erfolg war der Film von 2014, der auf realen Ereignissen basierte und den Titel Whistle Blower trug: Ein Whistleblower gab einem örtlichen Untersuchungsteam anonym den Hinweis, dass ein international anerkannter Biotech-Professor Forschung zur Klonung menschlicher embryonaler Stammzellen gefälscht hatte – so kam es zu einem der größten wissenschaftlichen Betrugsfälle der jüngeren Vergangenheit.
Zwar wurde Whistle Blower für zahlreiche Preise nominiert, konnte letztlich jedoch kaum einen für sich entscheiden. Regisseurin Yim gab allerdings nicht auf – sie wartete geduldig auf das nächste Projekt, das ihr Interesse wecken würde. Und sie ist fündig geworden: Das Ergebnis des neuen Projekts ist Little Forest.
„Whistle Blower“ war stark nominiert, gewann aber nicht viele Preise, und Yim wartete geduldig auf das nächste Projekt, das ihr Interesse wecken und Versprechen zeigen würde. Das Projekt stellte sich als Little Forest heraus