Von Gastautor Josef Burker (Koreanologie-Student der Universität Wien)

Der heilige Koran auf Koreanisch (성 꾸란)
Der Islam in Korea: Ein Überblick
Korea verfügt über eine sehr diverse Landschaft an Religionen und die koreanische Verfassung garantiert Glaubensfreiheit. Vorerst ein paar Zahlen: Laut dem Korean Statistical Information Service sind im Jahr 2015 zirka 56% der Menschen ohne Religionsbekenntnis, um die 20% protestantischen Glaubens, 15% Buddhistisch und um die 7% katholischen Glaubens. Natürlich spielt auch der Konfuzianismus in der koreanischen Gesellschaft, sowie in den einzelnen Glaubensgemeinschaften nach wie vor eine wichtige Rolle, da eine soziologische Analyse des Landes ohne konfuzianistische Leitprinzipien nicht denkbar ist.
Dem islamischen Glauben gehören um die 150,000 Muslim*innen an: Das sind gerade einmal 0.29% der Gesamtbevölkerung. Laut der Korea Muslim Federation (KMF) liegt der Prozentsatz bei 0.38%. Grund für die Diskrepanz könnte sein, dass koreanische Konvertierte ihren Beitritt zum Islam den Behörden und ihren Familien nicht offiziell bekanntgeben.
Konkret wird geschätzt, dass rund 10.000 Muslime aus dem Nahen Osten, 61.625 aus Zentralasien, 31.000 aus Südasien und 52.000 aus Südostasien stammen. Diese Information basiert auf veröffentlichten Statistiken des Korean Immigration Service aus dem Jahr 2017. Als Hauptgrund wird gerade für den Zustrom asiatischer Muslime die allgemeine Globalisierung Koreas, sowie die Öffnung des koreanischen Arbeitsmarktes für Arbeiter aus dieser Region angesehen.
Historische Verbindungen: Die arabische Welt und Korea

Immer mehr muslimische Tourist*innen besuchen Korea. Viele davon kommen aus Indonesien und Malaysia.
Laut der Korea Tourism Organization (KTO) ist die Anzahl muslimischer Tourist*innen zwischen 2015 und 2017 um zirka 33% gestiegen. Dies ist unter anderem auf Hallyu, der explodierenden Popularität koreanischer Kulturprodukte, wie zum Beispiel K-Pop und K-Dramen, zurückzuführen. Der Anstieg ist bemerkenswert, da sich Korea immer noch in einer Entwicklungsphase bzgl. neuer Touristengruppen befindet: Zum Beispiel wurden laut KBS World Radio (Stand 2017) lediglich sechs Tour Guides auf Arabisch trainiert. Dennoch sorgte Hallyu für ein stets steigendes Interesse.

K-Pop Fans in Ägypten im Jahr 2011
Dieses Phänomen fand auch in muslimischen südostasiatischen und arabischen Ländern statt und sorgte für eine stabile und nachhaltige koreaphile Community. Viele Quellen sprechen von einer im Vergleich kurzen Geschichte der Beziehungen zwischen Korea und muslimisch geprägten Ländern. Die Verbindung zwischen dem Islam und Korea reicht jedoch zurück ins neunte Jahrhundert, wo bereits über die Seidenstraße muslimische Kaufmänner nach Korea gelangten. Ebenso wurden umgekehrt koreanische Waren auf Märkten des muslimischen Nahen Osten gehandelt. Früher nannten Händler des Nahen Ostens Korea Al-Shilla oder al-Silla. Die Namensgebung steht im Bezug zum alten koreanische Königreich „Silla“ der Drei Reiche-Periode. Gehandelt wurde mit Gewürzen, Gold, Silber und Seide. Im Jahr 1427 wurde jedoch die Ausübung des islamischen Glaubens per königlichem Dekret auf der Halbinsel untersagt.
Auch in der zeitgenössischen Geschichte kam es während des Koreakrieges (1950-1953) zu einem Berührungspunkt zwischen Muslim*innen und Korea aufgrund des türkischen Einsatzes über die Vereinten Nationen.
Eine große Wende in der Beziehung zwischen Korea und muslimisch geprägten Ländern ergab sich durch den großen Wirtschaftsboom in Saudi Arabien und den arabischen Golfstaaten in den 1980er, da vor allem koreanische Bau- und Industriefirmen mit dem Aufbau dieser neuen Ölstaaten beauftragt wurden. Die erste Übersiedlung koreanischer Bauarbeiter nach Saudi Arabien fand aufgrund eines Bauauftrags einer Autobahn 1974 statt. Bis in die 1980er stieg die Nachfrage an koreanische Baufirmen enorm an. Dies spricht für eine hervorstechende Intensivierung der Beziehungen beider Kulturkreise. Zwischen 1975 und 1985 wanderten über eine Millionen koreanische Staatsbürger*innen in arabische Länder für die Arbeit aus. Besonders Saudi Arabien entwickelte sich zum Land mit den meisten koreanischen Migrant*innen nach den USA und Japan.
Zudem existiert in weniger wohlhabenden Ländern der arabischen Region, wie Ägypten oder dem Irak, eine kleine koreanische Community. In Ägypten wurde sogar 1979 die Korean School in Cairo, eine internationale koreanische Schule, für die Kinder koreanischer Familien errichtet.
Tourismus & Korea

Halal Restaurants und Lokale
Laut einer Studie des Global Islamic Economy Report 2016/2017 beträgt die weltweite islamische Wirtschaftszone 1.9 Billionen US-Dollar. Tatsächlich bilden auch muslimische Tourist*innen nach chinesischen die weltweit zweitgrößte Gruppe Reisender. Ein immer populärer werdendes Reiseziel ist dabei Korea: Ein Land, wo muslimische Tourist*innen jene Gruppe sind, die am meisten Geld zurück lassen (durchschnittlich $ 2,594 pro Person!).
Die koreanische Regierung und die Wirtschaft reagieren auf den Zustrom muslimischer Tourist*innen mit einer Kampagne für mehr Halal Optionen im Jahr 2015. Mittlerweile gibt es zum Beispiel auch von einem Ehepaar in Itaewon einen bekannten YouTube Kanal namens Kimchibudu, welcher auf Halal travelling in Korea aufmerksam macht.
2017 fand die Muslim-friendly Korea-Politik der Korean Tourism Organisation und der Ministry of Culture, Sports and Tourism ihren Anfang. Sie schaffte Formen von halal tourism, die laut Wissenschaftler Ikran Eum der Dankook University zum Beispiel folgendes beinhalten: Gebetsmöglichkeiten in Flughäfen und anderer touristischer Infrastruktur, Halal Menüs, Anlagen nur für Frauen, sowie Gastronomie ohne Schweinefleisch, Alkohol und Glücksspiel. Ikran Eum führt dennoch aus, dass es keine standardisierte Form von Muslim-friendly Tourismus gäbe. Außerdem beständen in Korea konkrete Hürden: Außerhalb Seouls mangele es an der Umsetzung der Muslim-friendly Korea-Politik. Laut einer Studie der Korea Tourism Organization, sind die größten Hürden die fehlenden Essmöglichkeiten ( jene, die nur halal essen, können faktisch nur in Seoul Urlaub machen) und das Fehlen religiöser Infrastruktur. Die Lage allgemein ist aber als eine sich stets verbessernde zu beurteilen: Laut einem Interview mit A. Rahman Lee Ju-Hwa zufolge, einem koreanischen Imam der Korea Muslim Federation, gab es in den 1980er nur zwei halal Restaurants in Seoul. Nun gibt es koreaweit ganze 800 gemeldete halal Stellen mit Zertifikat (Stand 2017).
Der Islam in Seoul

Seoul Central Mosque in Itaewon
In Itaewon, dem multikulturellen und modernen Viertel Seouls, steht seit 1976 die Seoul Central Masjid. Sie ist die erste von insgesamt zwanzig Moscheen im Land. Das Gebetshaus, dessen Fläche von ca. 5.000 Quadratmeter von der koreanischen Regierung bereitgestellt wurde, ist zentral auf einem Hügel platziert und so auch aus der Ferne gut erkennbar. Finanziert wurde das Projekt von den Regierungen Saudi Arabiens und Malaysias. Laut eigenen Angaben versammeln sich bis zu 800 Angehörige des Glaubens jeden Freitag, um das Gemeinschaftsgebet zu verrichten. Die Moschee wird auch teils administrativ von koreanischen Konvertierten geleitet, die vor allem in den 70ern und 80ern über Aufträge ihrer Arbeitgeber (meist Baufirmen) auf der arabischen Halbinsel den Islam entdeckten und mit nach Korea brachten. Dies ist jedoch historisch gesehen nicht die erste Moschee oder Masjid des Landes, da tatsächlich bereits in den 1920ern von russischen Muslimen (Tataren) eine informelle Moschee bis zum Koreakrieg betrieben wurde.
Auch viele Restaurants und Street Food Lokale mit türkischem, arabischem und südostasiatischem Ursprung sind heute auf der Hauptstraße Itaewons zu finden. Neben diesen Ländern sind auch Händler*innen und Geschäftstreibende aus Usbekistan, Pakistan und anderen zentralasiatischen Ländern vorzufinden. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Supermärkten, Geschäften und Reisebüros aus mehrheitlich muslimischen Ländern, sodass sogar der Hügel, der zur Moschee führt in der Umgangssprache und in inoffiziellen Reisebroschüren Halal Hill oder Muslim Hill genannt wird.
Dies trägt durchaus zum kosmopoliten Bild des Bezirkes bei, obwohl es oft von Koreaner*innen als “zu fremd” empfunden wird. Neben rein nationalgeprägten Clubs und Vereinen, existiert auch das Korea-Islam Business & Cultural Centre, Studierendenverbände sowie eine islamische Schule neben der Moschee.
Muslimische Koreaner*innen

Gemeinsames Essen und Trinken ist für viele Menschen in Korea ein wichtiger gesellschaftlicher Faktor und kann zur Herausforderung für Muslim*innen werden
Für koreanische Konvertierte ist es jedoch schwierig, ihr neues Religionsbekenntnis ihren Familienmitgliedern zu erzählen oder dieses offen in der Gesellschaft auszuleben. So erzählte anekdotisch A. Rahman Lee Ju-Hwa der Al Jazeera, dass seine Freunde es am Anfang “nicht verstanden haben” und ihn bedrängen wollten, Alkohol zu trinken. Der Konsum von Alkohol und Schweinefleisch ist im Islam untersagt, jedoch im koreanischen Sozialleben weit verbreitet. Auch die Pauschalisierung, dass Muslim*innen Terrorist*innen seien oder dass der Islam Gewalt verherrliche und deswegen Muslim*innen unter Generalverdacht zu stellen sind, ist im politischen Diskurs zum Teil salonfähig, nicht zuletzt aufgrund eine Geiselnahme koreanischer Missionare durch die Taliban im Jahr 2007.

A. Rahman Lee Ju-Hwa, ein bekanner koreanischer Imam
Auch sprachen Konvertierte im Interview mit Al Jazeera darüber, dass sie in einem islamischen Kontext mit ihren “Brüdern” und “Schwestern” eine Art Parallelkultur schufen, da es im Islam keine strikte Klassenteilung nach Altersstufen oder eine in der (arabischen) Sprache tief verwurzelten integrierten Höflichkeitsstufen gibt. Dies ist besonders spannend, da zunehmend junge Koreaner*innen sich im Alltag, sowie im Privatleben über diese Hierarchie beschweren.
Andererseits wird auch sehr viel zum Islam in Korea geforscht und viel gegen Islamophobie getan. Als Pionierprojekt wird der “Islamic Studies”-Studiengang der Hankuk University of Foreign Studies (HUFS) genannt, wo Studierende nicht nur den Islam studieren, sondern auch Persisch, Türkisch, Arabisch und andere Sprache muslimisch geprägter Länder lernen können. Zudem gibt es laut Chang Byung-Ock, Professor des Iranian Departments der HUFS, ebenso ein Institute of the Middle East Studies (IMES), Korean Association of the Middle East Studies (KAMES) und eine Korean Association of Islamic Studies (KAIS). Immer stärker werdende Beziehungen zwischen Korea und muslimisch geprägten Ländern, sowie der steigende Tourismus und das Interesse Koreas an fremde Kulturen, tragen nachhaltig zu einer guten Beziehung beider Kulturkreise bei.