Von Gastautorin Michaela Zajonskowski (Koreanologie-Studentin der Universität Wien)
Während der Joseon-Dynastie gab es neben der königlichen Familie selbst und den Ministern noch eine andere sehr wichtige Gruppe an Personen: Die Leibärzte und deren Gehilfen im Naeuiwon*.
Sie waren nicht nur für das Wohlergehen der königlichen Familie zuständig, sondern lebten auch unter der ständigen Angst ihre Karriere oder sogar ihr Leben zu verlieren, sollten sie bei der Behandlung einen Fehler begehen.
In diesem Artikel widme ich mich zwei herausragenden Persönlichkeiten aus der Josen-Zeit, deren Namen vielleicht gar nicht so unbekannt sind.
Begriffsklärung
Naeuiwon (내의원): Die Hofklinik, in der vor allem Medizin hergestellt wurde. Die Behandlung der Mitglieder der royalen Familie fand zumeist in deren Gemächern stattYangban (양반): noble Klasse, Aristokraten
Chungin (중인): Mittelklasse
Uigwa (의과): Prüfung für alle Mediziner, die am Königshof arbeiten wollten
Dae Jang-geum – erste weibliche Leibärztin

Lee Young-ae im K-Drama „Jewel in the Palace“ als Dae Jang-geum (MBC)
Lady Jang-geum (später Dae Jang-geum) lebte zu Beginn des 16. Jahrhunderts, wobei weder ihr Geburts- noch ihr Sterbedatum genau datiert werden können. König Jungjong war so angetan von ihrem medizinischen Wissen, dass er ihr die Behandlung der königlichen Familie anvertraute. So wurde sie nicht nur zu einer Offizierin mit dem dritthöchsten Grad, sondern auch zur ersten Leibärztin am Königshof. Ihre hohe Stellung brachte ihr auch den Titel „Dae (대)“ (großartig), welcher nur an wirklich herausragende Persönlichkeiten verliehen wurde.
Dae Jang-geum arbeitete von 1513-1550 aktiv als Ärztin, also vermutlich bis zu ihrem Ableben, da 1550 als ihr Todesjahr geschätzt wird. Neben den Erwähnungen in den Annalen der Joseon-Dynastie, auf die ich noch genauer eingehen werde, wurde sie auch im Journal eines medizinischen Offiziers der Yi Dynastie erwähnt.
Heo Jun – Verfasser des Dongui Bogam

Portrait von Heo Jun
Heo Jun wurde vermutlich 1546 als Sohn des Yangcheon Heo Klans geboren. Obwohl sein Vater Teil der yangban* war, musste Heo Jun mit dem Status der chungin* auskommen. Dies ergab sich aus dem Fakt, dass Heo Jun Sohn einer Konkubine war und ihm somit die Zugehörigkeit zu den yangban unmöglich war.
Dieser Status der chungin führte auch zu Diskriminierung seitens der Aristokraten, aber es ist trotzdem sehr wahrscheinlich, dass Heo Jun das Leben, die Ausbildung und den Komfort genossen hat, der einem yangban gebührend war.
Es ist nicht klar, wie Heo Jun zu seiner medizinischen Ausbildung gekommen ist. Am wahrscheinlichsten ist aber, dass er sowohl in staatlichen als auch privaten Kliniken das Wissen erlangte, welches für die uigwa* nötig war.
Mit 33 Jahren kam er schließlich an den Königshof und stieg dort rasch in die höheren Ränge auf. Dies verdankte er vor allem seinen erfolgreichen Behandlungen von König Seonjo 1575 und Kronprinz Gwanghaegun im Jahr 1590. Heo behandelte aber nicht nur die königliche Familie, sondern auch das niedere Volk, da er nicht mitansehen konnte, wie die Menschen leiden mussten.
König Seonjos Vertrauen in Heo wurde während der 1. Japan Invasion 1592-1598 (Imjin-Krieg) nur noch gestärkt. Viele der damaligen Leibärzte flüchteten und brachten sich in Sicherheit. Nicht so Heo Jun, der beim König blieb und ihm selbst während des Kriegs nicht von der Seite wich.
Während des Kriegs wurden auch viele wertvolle medizinische Bücher zerstört woraufhin Heo von König Seonjo den Auftrag bekam, ein medizinisches Lehrbuch zu erstellen, in dem das verlorene Wissen festgehalten werden sollte.
So begann Heo 1598 mit dem Schreiben des Buches und auch nach seiner Ernennung zum königlichen Chefarzt im Jahr 1600 arbeitete Heo weiterhin an der Sammlung. 1608 erlitt Heos Karriere jedoch einen herben Rückschlag als König Seonjo starb. Die Aristokraten, die Heo schon wegen seines chungin Status nie recht leiden konnten, gaben ihm die Schuld am Tod des Königs. So wurde Heo schlussendlich nach Uiju ins Exil geschickt, wo er aber weiter an dem Buch arbeitete.
1609 wurde Heo von Gwanghaegun, der den Thron von seinem Vater übernommen hatte, jedoch wieder eingestellt, sehr zum Missfallen seiner Kritiker. Nach 15 Jahren vollendete Heo das Dongui Bogam.
Dongui Bogam – Lehrbuch der östlichen Medizin

Donguibogam – Prinzipien und Praktiken der östlichen Medizin
UNECSO Weltdokumentenerbe
Das Dongui Bogam war ein Monsterprojekt, da in ihm fast das gesamte Wissen über die östlichen, medizinischen Praktiken gesammelt werden sollte. In ihm sind hunderte Texte zusammengetragen, die sich mit den unterschiedlichsten Bereichen beschäftigen. Diese reichen von der Medizin bis hin zum Buddhismus und Taoismus. Das Buch listet außerdem tausende Symptome, Krankheiten, Rezepte und medizinische Techniken auf.
Die 25 Bände sind in fünf Sektionen unterteilt: Innere Medizin, äußere Medizin, verschiedene Krankheiten, Arzneimitteltherapie und Akupunktur:
- Innere Medizin: beschäftigt sich mit den inneren Organen und deren Krankheiten.
- Äußere Medizin: beschäftigt sich mit den sichtbaren Teilen des Körpers, wie den Muskeln, Knochen, Blutgefäßen etc. und deren Krankheiten.
- Verschiedene Krankheiten: Hier finden sich Informationen zu psychischen Leiden, Gynäkologie oder auch Pädiatrie.
- Arzneimitteltherapie: Hier sind Instruktionen zur Herstellung und Verabreichung von medizinischen Kräutern und Mixturen festgehalten.
- Akupunktur: Informationen zu und Beschreibung von Akupunkturpunkten und der Anwendung von Akupunktur.
Was dieses Werk außerdem besonders macht ist die Tatsache, dass Heo das Dongui Bogam in Hangeul verfasst hat und es so für die gesamte Bevölkerung verständlich war. 1613 wurde es schließlich veröffentlicht.
2009 wurde das Dongui Bogam in das UNSECO Memory of the World Verzeichnis aufgenommen, nachdem von koreanischer Seite eine Anfrage dazu gestellt wurde. In dieser Anfrage stand unter anderem: „The book successfully synthesized competing contemporary theories of medicine that had accumulated in East Asia for two millennia and went on to integrate medical knowledge and clinical experience together in a single collection” (Quelle: https://www.koreatimes.co.kr/www/news/art/2009/07/148_49413.html).
Hier wird noch einmal hervorgehoben, dass das Dongui Bogam eben Theorie und Praxis verbindet und neben theoretischen Ansätzen auch Anleitungen für die Durchführung von medizinischen Eingriffen darin beschrieben sind.
Seit 2013 ist das Dongui Bogam außerdem auch in einer englischen Version verfügbar und man kann es sich sowohl online ansehen, oder auch als App herunterladen.
Dae Jang-geum und Heo Jun in den Annalen der Joseon-Dynastie

Joseon wangjo sillok
Sowohl Dae Jang-geum als auch Heo Jun werden beide in den Joseon wangjo sillok (조선왕조실록 ), den sogenannten Annalen der Joseon-Dynastie erwähnt. Die Annalen sind Aufzeichnungen von Ereignissen, die zwischen 1392 und 1863 stattgefunden haben. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von täglichen Vorkommnissen, die von Abläufen im Königshaus, über politische Affären bis hin zu meteorologischen Phänomen reichen.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass zwei der wichtigsten Leibärzte der Joseon-Dynastie auch in diesen Annalen erwähnt werden. Während Dae Jang-geum in zehn dieser Einträge zu finden ist, so wird Heo Jun um einige Male mehr erwähnt. Es handelt sich dabei aber nicht unbedingt immer nur um rein medizinische Themen, sondern oft geht es auch um Bestrafungen oder Belohnungen für Dae Jang-geum oder Heo Jun. Natürlich wurden jedoch von den Historikern auch medizinische Behandlungen der Königsfamilie durch die beiden niedergeschrieben.
Aus diesen Einträgen in den Annalen ist zum Beispiel auch herauszulesen, dass Lady Jang-geum ca. 1525 den Titel Dae vorangestellt bekam, oder dass Heo Jun 1590 Prinz Gwanghae von den Pocken geheilt hat.
In Bezug auf das Dongui Bogam gibt es Aufzeichnungen über Probleme bei der Veröffentlichung des Buches und das Buch selbst wird auch über Heo Juns Tod (1615) öfter in den Annalen erwähnt.
Dae Jang-geum und Heo Jun – Der Stoff aus dem sageuk gemacht sind
So wie bei vielen anderen historischen Figuren auch, findet man natürlich auch Dae Jang-geum und Heo Jun in Film und Fernsehen wieder. Vor allem historische Fernsehserien (sageuk) haben sich der beiden Personen angenommen und die Dramen Jewel in the Palace (2003) und Hur Jun (1999-2000) sind wohl die beiden Dramen über die beiden Figuren, die international am bekanntesten sind.

Das Drama „Jewel in the Palace“ über Dae Jang-geum
Jewel in the Palace (대장금), mit Lee Young-ae in der Hauptrolle, erzählt die Geschichte eines Waisenkindes, das von einer einfachen Köchin zur ersten Leibärztin am Königshof aufsteigt. Die Haupthemen des Dramas sind das Durchhaltevermögen der jungen Frau, sowie die Darstellung der koreanischen Kultur und der königlichen Speisen. Mit Zuschauerspitzenwerten von 57,1% und einem Mittelwert von 45,8% ist Jewel in the Palace eines der erfolgreichsten Dramen in der Geschichte des koreanischen Fernsehens.
Das Drama Hur Jun (허준) wiederum beschäftigt sich, wie der Titel schon sagt, mit dem Leben Heo Juns. In 64 Folgen erzählt das Drama die Geschichte Heo Juns (verkörpert von Jun Kwang-ryul), der sich als Sohn einer Konkubine zum Chefarzt im Palast hocharbeitet. Es werden all seine Lebensstationen behandelt. Man folgt zuerst dem jungen Heo Jun, wie er das Interesse an der Medizin entdeckt und als Arzt ausgebildet wird, bis er später König Seonjo während des Imjin-Krieges zur Seite steht, nach dessen Tod verbannt und von Gwanghaegun wieder an den Hof zurückgeholt wird, das Dongui Bogam fertigstellt, und schlussendlich stirbt.

DVD Cover des Dramas „Hur Jun“
Mit Zuschauerzahlen von bis zu 64% ist auch Hur Jun eines der erfolgreichsten Dramen in der Geschichte Südkoreas und wie Jewel in the Palace auch international bekannt.
Sowohl Dae Jang-geum, als auch Heo Jun waren (und sind es auch immer wieder) Protagonisten oder Nebencharaktere in anderen Serien. So findet man unter den Nebencharakteren des Dramas The Fugitive of Joseon (2013) Dae Jang-geum. Heo Juns Leben bzw. Heo Jun als Hauptcharakter wurde in ein paar Dramen (und einem Film) mehr dargestellt. Neben dem Drama und Film mit dem selben Namen, Jibneyom (1975/1976), war Heo Jun auch noch Hauptcharakter in den Dramen Dongui Bogam (1991), Hur Jun, the Original Story (2013) und Mirror of the Witch (2016) zu finden. Als Nebenfigur spielt Heo Jun in dem Drama Live Up to Your Name, Dr. Heo (2017) eine Rolle. Dieses Drama dreht sich hauptsächlich um den Akupunkturmeister Heo Im, der zur selben Zeit wie Heo Jun am Königshof als Arzt tätig war.
Ausflugstipp
Das Heo Jun Museum in Seoul
Wer sich für die Geschichte Heo Juns und des Dongui Bogam interessiert, der kann sich das Heo Jun Museum in Seoul anschauen und auf den Spuren von Heo Jun wandeln.