Von Gastautorin Judith Aspöck (Koreanologie-Studentin der Universität Wien)
Am 30. September beginnt wieder eines der größten Feste Koreas: Chuseok (추석), das koreanische Erntedankfest, welches zum Gedenken an die Ahnen gefeiert wird. Es ist eines der ältesten Feste Koreas, das immer noch gefeiert wird. Die Entstehung wird auf die Silla Dynastie (57 v. Chr. bis 936 n. Chr.) zurückgeführt und ist in seinen Grundzügen bis heute erhalten.
Chuseok selbst fällt dieses Jahr auf den 1. Oktober, dem 15. Tag des achten Monats nach dem Mondkalender. In Korea wird zwar prinzipiell der gregorianische Kalender verwendet, zur Berechnung von Feiertagen wird jedoch der Mondkalender angewandt, der nach dem Mondzyklus berechnet wird. So kommt es, dass Chuseok immer zur Vollmondzeit gefeiert wird. Auch die Tage vor und nach Chuseok sind frei und landesweite Feiertage, daher spricht man oft von den dreitägigen Chuseok Feierlichkeiten.
Wie wird Chuseok gefeiert?
Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten steht die Ahnenverehrung und die Wertschätzung für die Familie. Üblicherweise fahren daher alle Familienmitglieder zum Haus der ältesten Person der Familie, um zusammen ein großes Angebot an traditionellen Speisen zu essen. Traditionell tragen Familienmitglieder zu Chuseok eine festliche Version der koreanischen Tracht Hanbok (한복).
Traditionelle Bräuche

Eine koreanische Familie in traditioneller Tracht (한복) beim Herstellen von Reiskuchen (Songpyeon)
Es gibt auch einige spezielle Zeremonien, die an Chuseok praktiziert werden. Eine davon ist Charye (차례), eine koreanische Gedenkzeremonie, die zwei wichtige Aspekte der koreanischen Kultur miteinander verbindet: Essen und Anbetung der Ahnen. Charye beinhaltet die Zubereitung traditioneller Speisen, welche dann den Vorfahren angeboten werden. Das soll Dankbarkeit ausdrücken, die Ahnen ehren und als Gegenleistung für vergangene Unterstützung gelten. Der Ritus verkörpert die traditionelle Sichtweise des spirituellen Lebens über den physischen Tod hinaus und respektiert die Geister des Jenseits, welche nun auch dazu dienen, ihre Nachkommen zu schützen. Die angebotenen Lebensmittel variieren traditionell je nach Verfügbarkeit in den Provinzen, bestehen jedoch üblicherweise aus frisch geerntetem Reis, Reiskuchen und frischem Fleisch, Obst und Gemüse. Als Teil der Zeremonie werden die Lebensmittel in einer bestimmten Anordnung auf dem Tisch aufgestellt und serviert. Auch die Verbeugung von den Ahnen und Ältesten der Familie gehört zum Ritus.
Ein weiterer üblicher Teil der Ahnenverehrung ist der Besuch von Grabstätten an Chuseok, den man auch Seongmyo (성묘) nennt. Aus Zeichen der Liebe und Hingabe gegenüber den verstorbenen Vorfahren werden die Gräber vorher oftmals auch von Unkraut befreit und gesäubert, dieser Prozess heißt Beolcho (벌초).
Essen als wichtiger Bestandteils Chuseoks

Koreanische Reiskuchen (Songpyeon), die an Chuseok gegessen werden
An Chuseok kommt eine große Auswahl an Gerichten auf den Teller, die sich regional und je nach Familie unterscheiden. Was jedoch auf keinen Fall fehlen darf, sind Songpyeon (송편), eine spezielle Art von Reiskuchen. Die Reiskuchen sind in bunten Farben erhältlich und meist mit Sesam, roter Bohnenpaste, anderen Bohnen oder Esskastanien gefüllt und haben eine halbrunde Form. Diese halbrunde Form soll an den Mond erinnern, der eine wichtige Bedeutung für das Erntedankfest hat. Traditionell werden die Reiskuchen von der Familie frisch am Vorabend vor Chuseok gemacht, um sie am nächsten Tag zusammen genießen zu können. Mittlerweile gibt es sie aber oftmals schon fertig im Supermarkt oder an Märkten zu kaufen. Ihren einzigartigen Geschmack erhalten die Reiskuchen daher, dass sie bei der Zubereitung in einem Kiefernnadelbad gedünstet werden.

Jeon, koreanische Pfannkuchen
Neben Songpyeon kommen auch noch viele andere Gerichte auf den Tisch. Zum Beispiel koreanische Pfannkuchen, auch Jeon (전) genannt. Aus einer Mehl- oder Eierbasis entstehen salzige Pfannkuchen mit einer Füllung aus Frühlingszwiebeln, Schnittlauch, Kartoffeln oder Kimchi (eingelegtes koreanisches Kraut).
Auch typische Nudel- oder Reisgerichte wie Japchae (잡채) oder Bibimbap (비빔밥) sind sehr beliebt. Frisches Obst ist ebenfalls fester Bestandteil auf dem Tisch zu Chuseok, um die Dankbarkeit für die gelungene Ernte zu zeigen. An Getränken wird dazu wird meist Soju (소주), koreanischer Branntwein, und Makgeolli (막걸리), traditioneller trüber Reiswein, serviert.
Chuseok-Geschenke

Typisches Geschenk-Arrangement für Chuseok
Mit leeren Händen tauchen die wenigsten Koreaner*innen zu den Chuseok-Festlichkeiten bei ihren Eltern auf. Es ist üblich Geschenke mitzubringen, um sich zu bedanken. Spezifische Chuseok Geschenke und Geschenkboxen haben sich über die letzten Jahre sehr etabliert und sind vor Chuseok in vielen Geschäften erhältlich. Sie reichen von frischen Obst-Arrangements, koreanischem Rindfleisch (Hanu), rotem Ginseng, Wein, Olivenöl bis hin zu Gutscheinen und elektronischen Geräten. Besonders dieses Jahr ist die Anfrage nach Online-Gutscheinen aufgrund der Corona-Pandemie stark gewachsen.
Typische Aktivitäten während Chuseok

Charye Tisch zur Ehrung der Ahnen
Traditionelle Spiele schaffen während Chuseok ein Gefühl der Gemeinschaft und der Verbindung zwischen den koreanischen Familien. Für Kinder ist besonders das Drachensteigen eine aufregende Beschäftigung und Unterhaltung während Chuseok. In verschiedenen Designs – in traditionellen Farben der koreanischen Flagge oder einem modernen Drachen – geben die Kinder ihr Bestes, um den Drachen so hoch wie möglich fliegen zu lassen.
Zur Zeit der Festlichkeiten finden oftmals auch traditionelle koreanische Tänze oder Kampfsportwettbewerbe statt. Darunter befindet sich zum Beispiel der Kampfsport „Ssireum“ (씨름). Ssireum ist ein traditioneller Wrestlingsport in Korea. Dabei ringen zwei Gegner miteinander, während sie den Gürtel des Gegners halten. Der Gewinner ist derjenige Spieler, der es schafft, seinen Gegner als Erstes auf den sandigen Boden zu bringen. Für Familien ist es üblich, den Ssireum-Wettbewerb während ihrer Chuseok-Ferien im Fernsehen zu verfolgen.
Eine andere kulturelle Zeremonie, die beim Erntedankfest aufgeführt wird, ist der sogenannte „Ganggangsullae“-Tanz (강강술래). Dieser traditionelle Tanz wird von Frauen als Gebet für eine fruchtbare Ernte aufgeführt. Die Frauen versammeln sich dafür unter dem Vollmond, bilden einen Kreis und greifen sich gegenseitig an den Händen, während sie singen und sich im Uhrzeigersinn drehen. Die Geschwindigkeit des Tanzes steigt dabei stetig und der Tanz kann sogar bis zum Morgengrauen andauern. Der Tanz zählt zu den immateriellen UNESCO Weltkulturerben der Menschheit.
Was ist dieses Jahr anders?

Normalerweise in Seoul stattfindende Parade zu Chuseok
So wie üblich wird Chuseok dieses Jahr jedoch nicht stattfinden. Denn während normalerweise Millionen von Koreaner*innen ihre Familie für das Erntedankfest besuchen und dabei quer durch das Land fahren, will man große Reisebewegungen und Kontakte mit vielen anderen Personen heuer so weit wie möglich vermeiden. Denn an vergangenen koreanischen Feiertagen dieses Jahr, wie dem koreanischen Nationalfeiertag im August, sind die Zahlen an Covid-19-Fällen angestiegen. Die koreanische Gesundheitsbehörde ruft daher zu Vorsicht auf und hat Maßnahmen getroffen, um weitere Ansteckungen zu verhindern:
Generell wird empfohlen zuhause zu bleiben und die Familie, wenn möglich nicht zu besuchen. Bei einem Besuch jedoch sollten weiterhin Masken getragen werden, um die Möglichkeit einer Ansteckung zu verringern.
Maßnahmen für sichere Chuseok-Feiertage

Desinfektion eines koreanischen Zuges im Rahmen der COVID-19 Maßnahmen
Zudem wurde beschlossen, das derzeitige Social-Distancing Level von Stufe 2 (von 3) weiterhin für zwei Wochen aufrechtzuerhalten, anstatt es wie ursprünglich geplant war wieder auf Stufe 1 zu senken. Dies dient als verstärkte Maßnahme über den Zeitraum der Chuseok Ferien.
Level 2 Maßnahmen bedeuten, dass es weiterhin verboten bleibt, dass sich mehr als 50 Personen im Innenraum und mehr als 100 Personen im Freien versammeln. Sportveranstaltungen, einschließlich traditionelle Volksspiele und lokale Festivals, können ohne Zuschauer durchgeführt werden. Religiöse Versammlungen sind weiterhin verboten, Nachtclubs und Bars bleiben über Chuseok geschlossen.
Die koreanische Eisenbahngesellschaft bietet über Chuseok nur Fenstersitze zum Kauf an, um den Abstand zwischen den Passagieren zu gewährleisten. An den Autobahnen werden zusätzlich dazu im Vergleich zu den Vorjahren erstmals wieder Autobahngebühren verlangt, die normalerweise zu Chuseok ausgesetzt sind. Das soll die Hauptautobahnstrecken entlasten. Das dadurch eingenommene Geld wird in die Desinfektion von öffentlichen Plätzen und Gebäuden investiert.
Wie kann man sich das Erntedankfest dieses Jahr also vorstellen?
Die Anzahl an Reisenden wird dieses Jahr im Vergleich zu den vergangenen Jahren aufgrund der Einschränkungen und Vorsichtmaßnahmen vieler Koreaner*innen wohl deutlich reduziert sein. Jene, die ihre Familie besuchen, werden vermutlich verschiedene Vorsichtsmaßnahmen treffen, um den Abstand einhalten zu können und das Ansteckungsrisiko so gering wie möglich zu halten. Viele Koreaner*innen haben gar beschlossen, den Verwandtschaftsbesuch dieses Jahr ganz auszulassen.
Dies heißt jedoch nicht, dass Chuseok nicht gefeiert werden kann. Um trotzdem feiern zu können, werden viele Familien wohl auf Videoplattformen und Videoanrufe umsteigen, um einander digital sehen zu können. Chuseok Geschenke können auch in Form von Paketen verschickt oder als Online-Gutscheine verschenkt werden, um den Verwandten trotzdem eine Freude zu machen. Typisches Chuseok Essen gibt es an Märkten natürlich trotzdem zu kaufen oder man kann es selbst machen, um festlich in den Herbst zu starten. So kann man das Erntedankfest auch in der Ausnahmesituation genießen.
Daher schöne Chuseok-Feiertage und einen guten Start in den Herbst!
즐거운 추석 보내세요!